Luther mochte Erbsenbrei

Hildesheim, 26. Oktober 2017

Beim Küchengespräch in der KinderKathedrale geht es um Tischkultur heute und zu Luthers Zeiten

Im Altarraum der Lambertikirche stehen zwei Tische mit großen Töpfen, an denen geschnippelt, gehackt und gerührt wird. Gerhard Flügel, Koch beim Sozialen Mittagstisch Guter Hirt, und Sandro Hansberg, der sonst im Jugendzentrum Go20 kocht, bereiten zwei Suppen zu, die auch bei Martin Luther hätten auf den Tisch kommen können. Ein leckerer Duft füllt die Kirche, doch bis zum Essen dauert es noch ein bisschen. Erst wird – wie schon zu Luthers Zeiten – ausgiebig geredet.

Das Küchengespräch, eine Veranstaltungsreihe der Evangelischen Familienbildungsstätte, ist für diesen Abend in die KinderKathedrale umgezogen. Eingeladen wurden die Historikerin Regina Ritter, Diakon Andreas Handzik, der den Mittagstisch Guter Hirt für bedürftige Menschen leitet, und Anika Arnold, die eine Kochgruppe für Flüchtlinge gegründet hat. Die Journalistin Kerstin Hergt moderiert das Gespräch. Es geht um Martin Luther, genauer gesagt sein Verhältnis zum Essen und wie sich unsere Tisch- und Esskultur seit seiner Zeit gewandelt hat. Parallel wird weiter Suppe gekocht. 

Was das bedeutet, erklärt Regina Ritter gleich zu Beginn des Gesprächs: „Es wurde viel Suppe gegessen." Neben Gemüse habe auch fettige Fleischbrühe in den Topf gehört. Ob die Suppen, die gerade in der Lambertikirche in den Töpfen dampfen, auch nach Luthers Geschmack gewesen wären, ist allerdings nicht sicher. „Damals waren die Suppen nicht dünn sondern hatten eher eine Breiform."

Luthers Lieblingsgericht bei Verdauungsproblemen sei beispielsweise ein Erbsenbrei mit Bratheringen gewesen. Ansonsten seien viel Gemüse, Eierspeisen, Geflügel und sogar Singvögel auf den Tisch gekommen, erklärt Ritter. „Dazu war ein dünnes Bier das Hauptgetränk, sogar für Kinder." Das Wasser aus den Bächen und Flüssen sei damals in den Städten durch Unrat und Fäkalien ungenießbar gewesen.

Anders als im 16. Jahrhundert hat heute in Deutschland fast jeder Zugang zu Wasser und ausreichend Nahrungsmitteln. Und trotzdem gibt es Menschen, für die eine warme Mahlzeit keine Selbstverständlichkeit ist. Beim Sozialen Mittagstisch Guter Hirt gibt es für jeden ein warmes Mittagessen – an 365 Tagen im Jahr. Doch dabei gehe es nicht nur um den Mangel an Lebensmittel, berichtet Diakon Andreas Handzik. Soziale Armut sei bei Menschen mit geringem Einkommen ebenso ein Problem. „Zu uns kommen vor allem alleinstehende Männer. Bei vielen geht es vor allem um das gemeinsame Gespräch beim Essen und weniger um das fehlende Geld."

Das Zusammensein und der Austausch beim gemeinsamen Essen spiele in vielen Flüchtlingsfamilien noch eine größere Rolle, kann Anika Arnold berichten. 2015 gründete sie eine Kochgruppe für Flüchtlinge. „Zunächst haben wir nur deutsche Gerichte gekocht. Aber bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern kam schnell der Wunsch auf, auch Gerichte aus ihrer Heimat zu kochen." Reihum wurde eingekauft und gekocht. „So haben wir viel über die anderen Kulturen gelernt, ohne viel miteinander zu sprechen", erinnert sich Arnold. Mittlerweile ist aus der Kochgruppe sogar ein syrisches Cateringunternehmen entstanden.

Inzwischen sind die Suppen fertig geworden. Neben den Kirchenbänken stehen zwei Tafeln, die mit Blumen und Kerzen geschmückt sind. Podiumsmitglieder und Gäste setzen sich mit vollen Schüsseln und frisch gebackenem Brot an die Tische und lassen den Abend gemeinsam ausklingen. Vorerst wird dies das letzte Küchengespräch gewesen sein. Die Familienbildungsstätte ist in ein neues Gebäude gezogen, und die neue Küche ist zu klein für die Veranstaltungsreihe. Julia Dittrich

Bilder:

Die Historikerin Regina Ritter erklärt die Essgewohnheiten im 16. Jahrhundert. Fotos: Dittrich

Gerhard Flügel und Sandro Hansberg bereiten die Luthermahlzeit zu.

Nach dem Küchengespräch gibt es Suppe und frisch gebackenes Brot für alle.