Bodenständige Frömmigkeit und neue Ideen: Superintendent Mirko Peisert
Hildesheim. Der Neue ist da – oder zumindest sein Mobiliar. Am heutigen Montag ist Mirko Peisert, Nachfolger von Helmut Aßmann als Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt, in sein neues Domizil an der Klosterstraße 7 eingezogen. Seinen Dienst tritt er allerdings erst am 1. November an. Bis dahin – so sieht es das landeskirchliche Trainingsprogramm für frischgebackene Superintendenten vor – hospitiert Peisert noch je eine Woche in der Superintendentur Verden und im Kirchenamt Gifhorn. Dann endlich kann er in Hildesheim loslegen.
Seine neue Leitung hat der evangelische im Grunde der katholischen Konkurrenz zu verdanken. Zwar nicht direkt, doch mit einem entscheidenden Wendepunkt in der Biografie Mirko Peiserts. Es war Anfang der 90er Jahre, Peisert arbeitete als Zivildienstleistender in einem hannoverschen Altenheim. Sein Berufswunsch zu der Zeit: Krankenpfleger. Doch dann nahmen ihn Freunde zu Gottesdiensten der katholischen Hochschulgemeinde mit. „Da hat man etwas gespürt von Gottes Geist“, erzählt Mirko Peisert. Der Eindruck war so stark, dass er sich neu orientierte und ein – evangelisches – Theologiestudium begann.
Kirchlich sozialisiert war er ohnehin. 1973 in Soltau geboren und in Bispingen groß geworden, stammt er aus einer Gegend, die von der Hermannsburger Mission geprägt ist. „Ich bin damit aufgewachsen, dass die Kirche einen selbstverständlichen Platz hatte“, sagt Mirko Peisert. „Von daher bringe ich eine ganz bodenständige Frömmigkeit mit.“ In seiner Jugend, verrät er nebenbei, habe ihn die Abgeschiedenheit der Heide ziemlich gelangweilt – heute sei er gerne dort und genieße die Einsamkeit.
Sein Theologiestudium begann Mirko Peisert in Marburg, fügte ein Auslandsjahr in Rumänien ein und wechselte dann zur Berliner Humboldt-Uni. Fasziniert von Osteuropa, studierte er auch orthodoxe Theologie, „eine ganz andere Weise, theologisch zu denken“. Privat engagierte er sich für diakonische Projekte in Rumänien.
Das Vikariat führte ihn zum ersten Mal nach Hildesheim. Seine Lehrjahre absolvierte er bei Pastor Helmut Siegel an der Andreaskirche. „Das hat mir viel Spaß gemacht. Nach der vielen Theorie war es eine gute Erfahrung.“ Die erste eigene Pfarrstelle brachte ihn dann nach Einbeck. „Ich war damals mit zwei halben Stellen für drei Kirchengemeinden zuständig.“ In einer Region, aus der viele Menschen wegziehen und in der auch die Kirche einen großen Substanzverlust erlebt. „Ein nicht ganz einfacher Start“, resümiert Peisert.
Sechs Jahre blieb er dort und wechselte dann nach Steinwedel bei Burgdorf. „Wirklich ein Glücksfall für mich, eine ganz tolle, offene Gemeinde“. Zur Offenheit gehörte auch, dass Mirko Peisert mit seinem eingetragenen Lebenspartner ins Pfarrhaus zog. „Das war damals noch ein Präzedenzfall in der Landeskirche“, sagt Peisert. Während seiner acht Jahre in Steinwedel initiierte er viele neuartige Projekte. Darunter eine Weinstube im Kirchturm; die Idee, ausrangiertes Silberbesteck in neue Abendmahlskelche umzumünzen; und der allegorische Garten. „Im 16. Jahrhundert gab es im Luthertum die Mode, dass über Pflanzen gepredigt wurde“, erklärt Peisert. Eben diese rund 100 Predigtpflanzen enthält der allegorische Garten in Steinwedel, in dem heute auch Jazzkonzerte, Lesungen und andere Veranstaltungen stattfinden .
Er bedauert, dass die Hildesheimer Superintendentur keinen Garten hat, aber der Blick auf den Magdalenengarten ist eine Entschädigung. Dafür findet der 43-Jährige hier ein besseres Umfeld für sein zweites großes Hobby, das Rennrad- und Mountainbikefahren.
Für den Kirchenkreis hat sich Peisert vorgenommen, zunächst möglichst viele Menschen kennen zu lernen und in Erfahrung zu bringen, was alles schon da ist. „Ich komme nicht mit einem fertigen Programm“, sagt der Neue, der am 1. November sein Amt antreten wird. Er freut sich auf die ungewöhnlich reiche kirchliche Landschaft in Hildesheim – unter anderem mit dem Michaeliskloster, der Uni, dem Bistum, der Blindenmission und mit vielen kulturellen Angeboten wie dem Literaturhaus St. Jakobi.
Die bodenständige, selbstverständliche Frömmigkeit, die er in seiner Kindheit erlebt hat, ist freilich Geschichte „Dafür haben wir heute eine viel größere Freiheit“, hält Mirko Peisert dem entgegen. Die Kirche habe das starre Korsett von Traditionen und Konventionen abgelegt, heute seien Aktionen wie der „Nordstadtstrand“ möglich. „Das finde ich großartig“, sagt Peisert. „Vor 50 Jahren wäre das undenkbar gewesen. Wir sind bunter und vielfältiger geworden. Das ist alles ein Gewinn.“ Ralf Neite