Gottesklang in Hildesheim

Nachricht 11. Juni 2012
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Gottesdienst auf dem Marktplatz

Gottesklang-Fest in Hildesheim entdeckt die faszinierende Vielfalt der Kirchenmusik

Hildesheim. So bunt, so überraschend, so mitreißend kann Kirchenmusik sein: Während Fußball-Deutschland sich mit einem einzigen Geistesblitz in der 72. Minuten begnügen musste, erlebte Hildesheim beim Gottesklang-Fest einen ganzen Tag voller Inspiration. 5000 Menschen entdeckten in 40 Konzerten, Performances und Workshops die faszinierende Vielfalt einer Musik, die das Stigma einer angestaubten Kunst eindrucksvoll widerlegte.

 

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Bischof Ralf Meister bei seiner Predigt

„Sing your song“, singe dein Lied, war das Leitmotto, das Landesbischof Ralf Meister frei nach Harry Belafonte beim Open-Air-Gottesdienst auf dem Hildesheimer Marktplatz ausgab. Meister würdigte die Musik als eine Kraft des Widerstands – eines Widerstands nicht zuletzt gegen die eigene Hoffnungslosigkeit. „Warum singen fast alle Religionen?“, fragte das geistliche Oberhaupt und war um die Antwort nicht verlegen: „Weil wir durch die Musik einen neuen Raum betreten, einen Raum nah bei Gott.“

Beim ersten Kirchenmusikfest der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, organisiert vom Hildesheimer Michaeliskloster, öffneten rund 1000 Musikerinnen und Musiker am Samstagmorgen diesen Raum auch an Orten, wo man ihn am wenigsten erwartet hätte. In der Arneken-Galerie, einem großen Einkaufszentrum, irritierte ein kaum hörbares helles Läuten die hereinkommenden Menschen. Wer dem ungewohnten Sound folgte, erlebte kristalline, meditative Momente mit dem Handglockenchor Hannover.

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Der Glockenchor Hannover

Wenige hundert Meter weiter auf dem Andreasplatz konnten PassantInnen bei einer interaktiven Performance über elektronische Signale BläserInnen-Improvisationen in Gang setzen: Der Tuba-Spieler stand barfuß im Brunnen, der Hornist saß rittlings in den Ästen einer hohen Platane, die Beine einer Trompeterin baumelten lässig aus einem Fenster und aus einem anderen Fensterrahmen schob sich der Zug einer Posaune hervor.

In der Fußgängerzone machte sich derweil ein 20-köpfiges Ensemble für die „begehbare Bläserinstallation“ breit. Viele, die beim Einkaufsbummel überrascht wurden, hatten großen Respekt und zwängten sich an den Seiten vorbei; Mutigere genossen es, mitten zwischen den Blasmusikerinnen zu stehen und alte Choräle aus einer völlig neuen Perspektive kennen zu lernen.

Der Nachmittag stand im Zeichen intimerer Musikerlebnisse. Im „Klanggarten“ lauschten die Besucher/innen im strahlenden Sonnenschein den reichen Obertönen von Naturinstrumenten nach. In einer Vielzahl von Workshops konnten sich Junge und Alte mit African Gospel, dem Orgelspiel oder historischen Tänzen vertraut machen. Die Kirchen der Stadt boten parallel eine riesige Auswahl von Konzerten aus der ganzen Palette der Kirchenmusik. Jazz und Barock trafen aufeinander, Orgel und mittelalterliche Instrumente führten Dialog, eine Tango-Messe berührte mit Tanz und argentinischem Flair, Blasinstrumente und Orgel ließen mit vereinten Kräften Holzdielen unter Kirchenbänken vibrieren, beim Even Song war die Stimmung dagegen ganz leise, innerlich.

Traditionelle Werke, experimentelle Kollagen und neue musikalische Verbindungen mündeten abends in den „Sound of Messiah“, dem großen Abschlusskonzert in der Hildesheimer Sparkassen-Arena. Die Uraufführung des Werks von Lothar Krist führte die Hannover Bigband, Kirchenchöre und MusikerInnen aus Posaunenchören zueinander. New Orleans-Jazz verbündete sich mit orientalischen Skalen und modernem Mitsing-Gospel. Landessuperintendent Eckhard Gorka brachte es auf den Punkt: „Mein Gott, was für einen verschwenderischen Reichtum an Gaben hast Du über Deiner Kirche ausgeschüttet!“

Text: Ralf Neite
Fotos: Neite/Ostermeier