Ist der Schimpanse das Beste an uns?
Hildesheim. Der Mensch sei „nicht so viel anders als der Schimpanse“, wenn man die genetischen Codes vergleiche, stellte Prof. Franz Josef Radermacher fest. Er fügte trocken hinzu: „Vielleicht ist der Schimpanse noch das Beste an uns.“ Wer nach diesem Auftakt hoffte, im Laufe des anderthalbstündigen Vortrags noch ein bisschen Licht am Ende des Tunnels gezeigt zu bekommen, wurde enttäuscht. Die Chance, dass die Menschheit noch die Kurve kriegt, um sich und die Erde zu retten, schätzt Radermacher auf 35 Prozent.
Es konnte einem schon gruseln beim hochkarätig besetzten Kongress „Globalisierung und Gerechtigkeit“, zu dem das Landgericht Hildesheim und der Landessuperintendent des Sprengels Hildesheim-Göttingen in die Glashalle der Sparkasse eingeladen hatten. Denn allen im Auditorium – rund 150 VertreterInnen aus Justiz, Politik, Kirche, Wirtschaft und Verwaltung – war klar, dass der renommierte Professor aus Ulm sehr genau wusste, was er da sagte.
Dr. Ralph Guise-Rübe, Präsident des Landgerichts, hatte schon in seiner Begrüßung zu einem Umdenken aufgefordert. Es werde genug Nahrung produziert, um die doppelte Weltbevölkerung zu ernähren, dennoch stürben täglich tausende von Menschen an den Folgen von Unterernährung. Mit der weltweiten Verflechtung der Märkte müsse eine „globale Empathie“ einhergehen, sagte Ralph Guise-Rübe. Das eigene Wohlergehen dürfe nicht länger der einzige Maßstab menschlichen Handelns sein.
Gerade da aber hatte Franz Josef Radermacher große Zweifel. Der Träger des Gobal Consciousness Award nannte das menschliche Gehirn eine „unheimlich dürftige Maschine“, die ganz simpel funktioniere: „Für jemanden, der nicht bezahlen kann, wird nichts produziert.“ Der Bessere setze sich durch, das belegte Radermacher mit vielen Beispielen aus der Weltgeschichte, und dabei gehe es nie um Gerechtigkeit, sondern immer nur um Kaufkraft.
Ganz ähnlich und mit der Nüchternheit eines Physikers beschrieb Dr. Jakob Schewe vom Potsdam Institute for Climate Impact Research die klimatischen Folgen eines Handelns, das die Interessen von einzelnen Staaten oder Interessensgruppen über die den Ganzen stellt. Am Beispiel von CO2-Emissionen zeigte der Wissenschaftler, wie die Menschheit das Erd-Thermostat für die Zukunft einstellt – „ein Vermächtnis, das wir uns einkaufen und mit dem die Generationen nach uns leben müssen“.
Unter anderem werde die Klimaerwärmung dazu führen, dass der Meeresspiegel rapide ansteigt und Städte wie Bangkok oder Hamburg von der Landkarte. Eine wichtige Ursache für den Klimawandel sei der Ausstoß von Kohlendioxid, der möglichst schnell auf Null reduziert werden müsse. Schewe: „CO2, das einmal in die Atmosphäre landet, bleibt für die nächsten 10.000 Jahre dort.“
„Die Entgrenzung unserer Verantwortungshorizonte“ nannte das Dr. Thorsten Moos von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft. Hier könnten die Religionen einen Ansatz zum Gegensteuern bieten, denn ihnen sei der Blick aufs große Ganze und ein „großes anti-zynisches Potenzial“ zu eigen. In der anschließendes Podiumsdiskussion nahm Landessuperintendent Eckhard Gorka diese Ausführungen zum Anlass, für sich persönlich zu resümieren: „Dem Auftrag Gottes gehorchen und dem Nächsten dienen – das ist das Lebensprogramm im Angesicht globalisierter Entwicklung.“