typisches und sakrales
Hildesheim. „Wenn man in die Kirche kommt, hat man immer das Gefühl, es ist schon jemand da“, sagt St.-Andreas-Pastor Detlef Albrecht. Das Gefühl trügt durchaus nicht – nur eben, dass der „Jemand“ nicht aus Fleisch und Blut ist. Sondern aus Styropor. Dieses sehr spezielle Erlebnis ist noch einige Tage lang in der Wanderausstellung „typisches und sakrales“ nachzuvollziehen. Am 30. September wird mit einer großen Finissage ein Schlussstrich unter diese Aktion gezogen, die seit Jahren durch die evangelische Landeskirche reist. Das Besondere daran: Alle zwölf Figuren können bei der amerikanischen Versteigerung erworben werden.
Die Kunstwerke erhöhten die „Kontaktfläche“ mit den Besucherinnen und Besuchern der Kirche, hat Pastor Albrecht beobachtet. „Als Bürgerkirche sind wir ja für alle da, nicht nur für die Gemeinde.“ Die Begegnung mit den Figuren, die unter anderem eine muslimische Frau, einen farbigen Geschäftsmann, einen Handwerker, einen Touristen und eine Tänzerin darstellen, sei auch für ihn selbst eine Herausforderung. Direkt am Altarraum steht ein invalider Athlet mit Rollator und schaut grimmig auf die erste Reihe hinunter – genau dahin, wo im Gottesdienst der Pastor sitzt.
Das Gästebuch der St.-Andreas-Kirche ist voll mit Einträgen, zu denen die Ausstellung inspiriert hat. „Figuren, die uns ins vielen Variationen selbst zeigen“, hat ein Besucher entdeckt, und „2 Damen aus Sibbesse“ schreiben: „Toll die Ausstellung, sie bedeutet, dass alle Menschen gleich sind und jeder in dieser schönen Kirche willkommen ist“. Einige kritische Stimmen gibt es durchaus auch – „Die Architektur hat Pappkameraden nicht nötig“, doch positive Kommentare überwiegen bei weitem: „Eine wunderbar einfühlsame und anregende Darstellung unserer Mitmenschen. Danke!“
Dass die Ausstellung auch ihre Tücken enthält, hat die Andreas-Organistin Katariina Lukaczewski erlebt: „Als ,Aufseher’ muss man sich regelmäßig bewegen, sonst wird man schnell zum Teil der Ausstellung. Ein Herr sagte zu mir: „Ach, Sie leben ja.“
Die eigentliche Aufsicht für die Figuren, die tatsächlich auf die Distanz täuschend echt wirken, teilen sich Mitglieder der Andreas-Gemeinde. Täglich sind die Ehrenamtlichen im Drei-Schichten-Dienst von 9 bis 18 Uhr im Einsatz. Das sei nicht leicht zu organisieren, so Detlef Albrecht, aber eine Auflage des Hauses kirchlicher Dienste in Hannover zum Schutz der Kunstwerke, die die Dresdner Künstler/innen Jordis Lehmann und Anna Leuthardt geschaffen haben.
Mit einem umfangreichen Programm wird die Gesamtfinissage am 30. September ab 18 Uhr gefeiert. Hartmut Reimers, Projektreferent im Haus kirchlicher Dienste (HkD), wird über den „Mehrwert der Gäste“ sprechen, Detlef Albrecht widmet sich dem „Mehrwert der Kunst“, und Pastor Ralf Tyra, Direktor des HkD, wird in einer Talkrunde den „Mehrwert der Gastgeber“ erkunden. Andreas-Kantor Bernhard Römer trägt Orgelmusik bei, und zum Abschluss leitet Radiomoderator Carsten Weyers die amerikanische Versteigerung.
Es hätten sich bereits Interessierte gemeldet, die eine Figur für ihre Privatwohnung oder ein Gemeindehaus ersteigern möchten, berichtet Detlef Albrecht. Wird die Andreas-Gemeinde mitbieten? „Wir denken gerade darüber nach“, sagt der Pastor, „aber das Problem ist: Welche der Figuren soll es sein?“