
Dirk Brall wird am 1. Januar Intendant der neuen Hildesheimer Literaturkirche
Hildesheim. Eigentlich sollte St. Jakobi zum Neustart als Citykirche eine geistliche Leitung bekommen. Dazu eine halbe Stelle für eine KulturwissenschaftlerIn, die sich um das literarische Programm kümmern würde. Doch es gab kaum Bewerbungen für die PastorInnenstelle, und „die Passgenauigkeit für das, was wir wollten, war bei den Kulturwissenschaftlern deutlich höher“, wie Superintendent Helmut Aßmann berichtet. Die Kirche reagierte, schrieb die Stelle neu aus – und nun kommt am 1. Januar 2014 keine Pastorin, dafür aber ein Vollzeit-Intendant: Dirk Brall übernimmt die Aufgabe, St. Jakobi in eine Kulturkirche mit literarischem Schwerpunkt zu verwandeln.
Einige Monate wird der Kulturwissenschaftler Zeit haben, um erste Weichen zu stellen. Im Frühjahr soll endlich die lang erwartete Neueröffnung der Citykirche gefeiert werden. Einzelne Veranstaltungen gab es dort freilich auch in den beiden zurückliegenden Jahren, doch nun geht es mit einem neuem Gesicht und frischen Ideen wieder richtig los – pünktlich zum 500. Jubiläumsjahr der Fertigstellung der Kirche im Jahr 1514.
Dirk Brall will die Zeit bis September nutzen, um unterschiedliche Veranstaltungsformate auszuprobieren. Unter anderem ist eine hochkarätige Veranstaltung während des Literaturfestivals prosanova vorgesehen. Ab Herbst schließlich, so die Planung, wird die erste offizielle Spielzeit der Literaturkirche beginnen. Brall will gerne Roman-Debütanten ein Veranstaltungsformat bieten, möchte eine Kinderbuchwoche ins Leben rufen, themenorientierte Ausstellungen zeigen und eng mit der Universität Hildesheim zusammenarbeiten. „Das Institut für Literarisches Schreiben hat sich gefreut, dass es nun neben dem Kulturcampus auch einen Ort mitten in der Stadt bekommt“, so Dirk Brall. In Seminaren werden die Studierenden das Programm und die Entstehung eng begleiten.
St. Jakobi will Literatur auf vielfältige Wiese erlebbar machen – neben Abendveranstaltungen soll das Haus mit möglichst durchgängigen Öffnungszeiten, mit der früheren Sakristei als Ort der Stille, mit neuen Gottesdienstformaten und sozialem Engagement überraschende Zugänge schaffen. Um diesen Teil der Arbeit zu gewährleisten, wird der Vorstand des Kirchenkreises die theologische Begleitung übernehmen. Außerdem soll die Citykirche eng mit den drei Hildesheimer Innenstadtgemeinden verzahnt werden.
„Das verbindende Element ist die Auseinandersetzung mit dem Wort“, erklärt Helmut Aßmann. Es werde spirituelle Formate und Kulturveranstaltungen geben „die sich gegenseitig inspirieren und ergänzen“.
„Ein Literaturhaus in einer so besonderen Kirche ist eine großartige Chance. In Kopenhagen wurde dies ebenfalls erfolgreich umgesetzt. Der Raum an sich macht ja schon viel mit den Menschen“, ergänzt Dirk Brall. An der Jakobi-Intendanz reize ihn besonders das Zusammenspiel von Literatur, Gesellschaft und Spiritualität. Mit diesen drei Komponenten beschäftige er sich schon seit seinem Studium der Kulturwissenschaften und des Kreativen Schreibens von 1997 bis 2002 in Hildesheim.
In den letzten zehn Jahren hat Brall den Kirschkamperhof bei Krefeld geleitet, dort Jugendcamps und Kulturveranstaltungen organisiert. Daneben ist er Herausgeber des Gesellschaftsmagazins FROH! und leitet mit mateno e.V. ein Netzwerk, das sich für Kultur, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und ein inspiriertes Miteinander einsetzt. Seine Projekt- und eigenen literarischen Arbeiten wurden mit dem Jugendkulturpreis NRW, dem red-dot-design-award und dem Moerser Literaturpreis ausgezeichnet.