
Seit dem Frühjahr ist Pastorin Uta Nadira Giesel ehrenamtlich in der Frauen-JVA aktiv
Hildesheim. Eigentlich war Uta Nadira Giesel nur als Einwechselspielerin vorgesehen. Alle vier bis sechs Wochen sollte die evangelische Pastorin eine Andacht in der Hildesheimer Frauen-Justizvollzugsanstalt halten und damit ihre katholische Kollegin unterstützen, die als hauptamtliche JVA-Seelsorgerin aktiv war. Doch die Lösung währte nur wenige Monate, dann verließ die katholische Pastoralreferentin Hildesheim. Nun versucht Uta Nadira Giesel ehrenamtlich die Arbeit aufrecht zu erhalten.
Dabei hat sie mit einer vollen Stelle als Hochschulpastorin eigentlich genug zu tun. „Aber wir haben keine 40-Stunden-Woche. Das ist eher eine Berufung“, sagt sie über ihren Einsatz als Pastorin. Zu dieser Berufung gehöre es auch, sonntags einen Gottesdienst zu halten – was in der Evangelischen Studierendengemeinde aber nicht an jedem Sonntag der Fall sei. So habe sie sich gerne bereit erklärt, im Frauengefängnis einzuspringen.
Seelsorge sei im Justizvollzug ungemein wichtig, weil sie ein Ventil für die Sorgen der Insassinnen biete und im sozialen Gefüge der Anstalt „eine wichtige Entlastungsfunktion“ habe, sagt Oliver Weßels, Leiter der Justizvollzugsanstalt für Frauen/Vechta, zu der die Hildesheimer Frauenabteilung gehört. Die Andachten stellten einen Bezug zum Leben außerhalb der Gefängnismauern her. Außerdem helfe die Arbeit, im Vollzug ein Klima des Respekts und des vernünftigen Umgangs zu schaffen. „Ich bin wirklich froh, dass wenigstens Sie da sind, sonst hätten wir überhaupt kein Angebot mehr“, dankte Oliver Weßels der Pastorin.
Die wird allerdings nur einen Teil des bisherigen Engagements auffangen können. Ihre Vorgängerin konnte zusätzlich zu den Messen die ganze Woche über Gruppenangebote machen und für Einzelgespräche zu Verfügung stehen. Bei Uta Nadira Giesel wird sich der Einsatz überwiegend auf die Wochenenden beschränken. Im Abstand von 4 bis 6 Wochen und immer an den hohen Feiertagen will sie im Mehrzweckraum einen Gottesdienst halten. Vorher ist die Gelegenheit zu Aussprache unter vier Augen. Eine Woche vorher kommt sie ebenfalls in die JVA, um den Gottesdienst gemeinsam mit den inhaftierten Frauen vorzubereiten.
Im Schnitt nehmen 25 bis 30 Frauen an den Gottesdiensten teil – das ist die Hälfte der Insassinnen. Wobei Uta Nadira Giesel klar ist, „dass sie natürlich nicht alle kommen, weil sie religiös hoch motiviert sind“. „Es ist eine Abwechslung im Haftalltag“, sagt Sandra Heim, die Hildesheimer Vollzugsabteilungsleiterin. „Und es ist für die Frauen auch eine Art seelisches Schlupfloch“, ergänzt Mandy Keller vom Sozialdienst der Anstalt.
In der Abteilung sind erwachsene Frauen unterschiedlichsten Alters in Straf- bzw. Untersuchungshaft untergebracht; sie stammen fast durchweg aus Südniedersachsen. Viele müssen nur für einige Tage oder Wochen hier bleiben, die durchschnittliche Haftdauer beträgt sieben Monate. Wiederholtes Schwarzfahren oder nicht bezahlte Rechnungen von Online-Einkäufen sind vielfach der Grund der Inhaftierung; noch häufiger sind Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetzt. Es gibt aber auch Frauen, die wegen schwerer Straftaten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.
Zwischen der Arbeit mit den Studierenden und in der JVA gibt es für Uta Nadira Giesel eine interessante Parallele. Hier wie dort komme eine offene Andachtsform mit freien Predigten besser an: „Ich brauche keine theologisch tiefsinnige Abhandlung zu halten. Das wäre in beiden Fällen an den Bedürfnissen vorbei.“