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Folter und Demütigung Christi werden Gegenwart in der Kunst

Nachricht Hildesheim, 15. August 2013
Verspottung
Das Skulpturen-Ensemble „Verspottung“ von Klaus Effern ist ab 1. September in der Andreaskirche zu sehen. Das Bild zeigt die Anordnung der sieben Figuren in der St.-Stephani-Kirche in Bremen. Foto: Alasdair Jardine

Skulpturen-Ensemble von Klaus Effern greift Motive eines Gemäldes von Matthias Grünewald auf / Vernissage mit Künstler in der Andreaskirche

 Hildesheim. Sie haben ihm einen Sack über den Kopf gezogen, seine Hände gefesselt. Er ist wehrlos, sieht nicht, woher der nächste Schlag kommen wird. Die Szene weckt beim heutigen Betrachter Assoziationen an Fernsehbilder, Bilder von der Folter in Guantanamo oder Abu Ghraib, von Scheinhinrichtungen in Bürgerkriegsgebieten. Stellt man eine solche Szene in eine Kirche, dann wird auch die Parallele zum Leiden Christi offenbar, zu den Quälereien und Demütigungen, denen Jesus nach seiner Gefangennahme ausgesetzt war.

Die Skulpturengruppe „Verspottung“ des Künstlers Klaus Effern zieht Linien zwischen Glauben und Kunst und brutaler Lebenswirklichkeit – durch Jahrhunderte hindurch. Das siebenteilige, dreidimensionale Ensemble wird von Sonntag, 1. September, bis Sonntag, 15. September, in der Andreaskirche zu sehen sein. Die Arbeit entstand im Jahr 2011 als Bewerbung für das einjährige Künstlerstipendium der Bremischen Evangelischen Kirche und wurde erstmals 2012 in der Bremischen Kulturkirche St. Stephani gezeigt. In der Hannoverschen Landeskirche war sie bereits in Hannover zu sehen und wird von Hildesheim noch nach Nienburg und Uelzen wandern.

Klaus Effern bezieht sich ausdrücklich auf ein Gemälde von Mathis Neithart, bekannt als Matthias Grünewald. Das Bild „Die Verspottung Christi“ entstand Anfang des 16. Jahrhunderts und hängt heute in der Alten Pinakothek in München. Jesus ist sitzend dargestellt, mit gefesselten Händen, die Augen mit einem dicken Tuch verbunden. Zwei Folterknechte holen zum Schlag aus. Matthias Grünewald hat bildfüllend, dicht gedrängt, Menschen gemalt, die teils beschwichtigend, teils gleichgültig oder heiter das Geschehen beobachten. Einer musiziert, als handele es ich um eine Volksbelustigung.

Klaus Effern hat die Bildmotive in eine dreidimensionale Gegenwartsform umgesetzt und die Figuren räumlich auseinander gezogen. Die Skulpturen sind aus verschiedenen Holzarten geschnitzt und montiert, die Farben Orange und Grün verfremdend eingesetzt. Die Folterer scheinen wie in der Bewegung erstarrt. Eine Frau fotografiert die Szene, ein Mann spielt die Tuba, ein Hund bellt, ein kleines Mädchen steht einsam und traurig dabei. Die Anordnung erlaubt es den Betrachtern, zwischen den Figuren herumzugehen und, Beobachter wie sie, selbst Teil der Szene zu werden.

Dieses Zuschauen, wie ein Mensch erniedrigt und gequält wird, sei ganz aktuell und finde auch hier und heute statt, sagt Pastor Detlef Albrecht von der Andreaskirchengemeinde. Er denke dabei beispielsweise an Mobbing in der Schule, Misshandlungen unter jugendlichen Strafgefangenen, an das Heruntermachen von Menschen in sozialen Netzwerken. Deshalb sei die Ausstellung auch und gerade für junge Menschen sehenswert, könne für Schulen ein Ausgangspunkt für intensive Diskussionen sein. „Es ist kein freundliches Thema“, weiß Pastor Albrecht.

Einen ersten Zugang können Besucher bei der Vernissage am Sonntag, 1. September, um 18 Uhr bei „Andreas um sechs“ bekommen. Der Künstler Klaus Effern wird anwesend sein, die Skulpturen im Altarraum der Andreaskirche selbst anordnen, und im Interview mit Pastor Albrecht über das Werk sprechen. Auch bei „Andreas um sechs“ am Sonntag, 8. September, wird die „Verspottung“ im Mittelpunkt stehen: Superintendent Helmut Aßmann spricht zum Thema „Seht, welch ein Mensch!“ aus dem 19. Kapitel des Johannisevangeliums. Zum Abschluss der Ausstellung am Sonntag, 15. September, um 18 Uhr gibt es mit Pastor Leif Mennrich ein Gebet nach Taizé unter dem Motto „Bleibet hier und wachet mit mir“.