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„Rausgehen und wahrnehmen“

Nachricht Hildesheim, 02. März 2013
„Werkstattgruppe Literatur“
Die Werkstattgruppe Literatur im Dreikaiserzimmer des Klosters Loccum: Stehend von links: Susanne Boeckler, Andreas Hausfeld, Gabriele Bartolomaeus, Ulrich Bach, Jutta Schlesselmann. Sitzend von links: Angela Werner, Susanne Dremel-Malitte, Jan-Hendrik von Stemm, Claudia Köhler-Prüß, Detlef Albrecht. Foto: Albrecht 

„Werkstattgruppe Literatur“ veröffentlicht ihre dritte Anthologie „Vom Nachhall getragen“ / Sonntag Lesung im Andreashaus

Hildesheim. Wovon träumt ein Pastor eigentlich in einer richtig schlechten Nacht? Beziehungsweise: Hat er spezielle Albträume? Offenbar ja, wenn man einer Kurzgeschichte des Hildesheimer Andreaspastors Detlef Albrecht glauben darf. Er ist Autor und Mitherausgeber der Anthologie „Vom Nachhall getragen“, dem soeben veröffentlichten dritten Band der „Werkstattgruppe Literatur“. Am Sonntag, 3. März, stellt die Gruppe ihr Buch im Andreashaus am Andreasplatz vor. Die Lesung beginnt um 18 Uhr.

Vor 15 Jahren wurde die Werkstattgruppe Literatur geboren, im Grunde aus der Not heraus. Detlef Albrecht: „Unser gemeinsamer Ursprung ist, dass wir Mitte der Neunziger, nach dem Vikariat, von der Kirche rausgeschmissen worden sind.“ Damals gab es nicht genug Pfarrstellen für die zahlreichen TheologInnen, die von den Unis entlassen wurden. Eine schwierige Situation, so Detlef Albrecht, denn „wer sich auf den Pfarrberuf vorbereitet, hat nicht viele Alternativen“.

Der in Lüneburg lebende Schriftsteller Heinz Kattner hatte dann doch eine: das gemeinsame Schreiben. Kattner bietet seit rund 30 Jahren Sprach- und Schreibcoachings in der evangelischen Kirche an, regelmäßig ist er in den Predigerseminaren zu Gast. „Jeder hat ihn erlebt“, erzählt Detlef Albrecht – so auch die frischgebackenen TheologInnen, die damals nicht zu PastorInnen werden konnten.

Auf Heinz Kattners Angebot gingen 15 Frauen und Männer ein, die meisten sind bis heute dabei geblieben. Sie kommen aus Göttingen, Rinteln, Hannover, Bremen oder Hamburg, mit Jutta Schlesselmann ist noch eine zweite Hildesheimerin dabei. Aktuell besteht die Gruppe aus 11 Mitgliedern, die sich einmal im Jahr im Kloster Loccum mit Kattner zu einem zweitägigen Schreibworkshop treffen. Alle fünf Jahre werden die besten Ergebnisse zu einer Anthologie zusammengefasst und via Books on Demand veröffentlicht.

Es handelt sich um Gedichte und kürzere Erzählungen, die auf ein bis zwei Seiten Platz haben. Dies liegt schon an der Aufgabenstellung. „Rausgehen und wahrnehmen!“, heißt Kattners erster Auftrag. Wenn die Mitglieder zurückkommen, müssen sie ihre Eindrücke in kürzester Zeit festhalten. Oft stehen ihnen nur 20 Minuten zur Verfügung, „eine Dreiviertelstunde wäre schon lang“, erklärt Detlef Albrecht. Umso intensiver sei aber das anschließende gemeinsame Lektorat.

Längst ist der ursprüngliche Impuls für die Gründung der Gruppe in den Hintergrund getreten. Einige Mitglieder wie Detlef Albrecht sind über Umwege doch noch PastorInnen geworden, andere haben – zum Teil mit großen Mühen – neue Wege eingeschlagen. „Die Texte wirken aus ihrer Sprache heraus, nicht aus unserer Geschichte“, betont der Andreaspastor. Der Hildesheimer steuert gerne Humorvolles bei. Viele Geschichten haben allerdings eher einen ruhigen, nachdenklichen Ton, die Kirche spielt selten eine Rolle.

Zu den Ausnahmen gehört der Text „Albtraum Kirche“, der gut in die riesige Hildesheimer Andreaskirche passen würde, aber schon entstanden ist, „als ich noch Pastor in Schellerten war“, wie Detlef Albrecht verrät. Darin besteigt der Träumende eine Art ganz persönlicher Jakobsleiter, bis er hoch über den Köpfen der Gemeinde zur Predigt ansetzt – und eigentlich für immer dort oben bleiben will. Die Auflösung gibt es am Sonntag im Andreashaus.

„Vom Nachhall getragen“. Lyrik und Prosa, herausgegeben von Detlef Albrecht und Jan-Hendrik von Stemm, 18,90 Euro, ISBN 978-3-848-25123-0. Weitere Veröffentlichungen der Werkstattgruppe Literatur: „Vorn leuchten rot die Beeren des Ilex“ (2003) und „Lichtpfützen“.