Begreifen – nicht Gipfel stürmen

Nachricht Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt, 26. Mai 2014
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Pastorin Uta Bösche-Ritter, im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt für die Generation 60+ zuständig. Foto: Neite

Pastorin Uta Bösche-Ritter zu den Chancen des Alters – Verabschiedung am 27. Juli

Hildesheim/Sarstedt. Der Alltag ist angefüllt mit Arbeit, Familie, Freizeit, allen möglichen Aktivitäten. Zu viel, um nach links oder rechts zu schauen, die Dinge aus der Distanz zu betrachten. Im höheren Alter, jenseits der 60, kann sich das ändern, Der Rhythmus der Zeit wird ein anderer, verliert sein Tempo. Das eröffnet die Chance, rückblickend Zusammenhänge zu erkennen – Fäden zu verknüpfen, die vorher isoliert und beziehungslos schienen. „Das halte ich für sinnvoller, als mit 80 noch den Himalaya zu besteigen“, sagt Pastorin Uta Bösche-Ritter.

Das ist der gedankliche Ausgangspunkt; von dort her betreibt die 64-Jährige, die selbst kurz vor der Pensionierung steht, im evangelischen Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt das Projekt „Altern gestalten“. Sie möchte den Menschen helfen, das Leben als Reifeprozess zu begreifen. „Das Alter gestaltet sich ja sowieso, ob ich eingreife oder nicht.“ Ihre Vorträge und Workshops haben zwar auch eine erkennbare Bildungskomponente, doch dies ist in ihren Augen ein Nebeneffekt. „Es geht mehr um die innere Einstellung, mit der ich Dinge betrachte, als um Bildung“, präzisiert sie.

„Ich möchte Menschen für Geschichte interessieren“, erklärt Uta Bösche-Ritter. Geschichte nicht im Sinne vorüber gegangener, abgeschlossener Epochen, sondern als gebündelte Lebenserfahrung. Die findet sie in den unterschiedlichsten Formen historischer Überlieferung: in Gebäuden, in den Familienstammbäumen des europäischen Hochadels, in Märchen und Sagen. Genauso vielfältig wie die Themen sind die Zusammenhänge, in denen sie ihre Angebote macht: Oasentage im Kloster Marienrode, Besuche in Frauenkreisen oder SeniorInnengruppen, Vorträge im Roemer- und Pelizaeus-Museum.

Und immer ist die Pastorin dabei auf der Suche nach Symbolen, die wahrgenommen und entschlüsselt werden wollen. „Mein Ansatz ist vor allem schöpfungstheologisch“, sagt sie – es gehe darum, in der Schöpfung Glaubenshinweise zu finden. Wie in Blumen und Pflanzen: Uta Bösche-Ritter hat ein profundes Wissen über ihre Bedeutung in unterschiedlichsten Kulturen. Sie kann beispielsweise eine Lilie bis ins kleinste Detail dechiffrieren – ihre Struktur, ihre Farbe, ihren Duft. Die Lilie, sagt sie, steht für die Ewigkeit Gottes.

Wer sich so mit den Bedeutungen und Botschaften der Pflanzen auseinandersetzt, sieht auch den Blumenschmuck auf einem Altar mit anderen Augen – und erkennt erhebliches Verbesserungspotenzial. Uta Bösche-Ritter arbeitet deshalb an einem Leitfaden, der Tipps für den Altarschmuck über das ganze Kirchenjahr hinweg gibt. Im besten Fall spreche aus den Blumen „geronnene Erkenntnis“.

Ein anderes Spezialgebiet sind Sagen, auch aus dem Hildesheimer Land. „Legenden sind bei uns bei weitem unterbewertet“, so die Pastorin. „In ihnen geht es nicht darum, was richtig, sondern was wahr ist.“ Sie setzt hinzu: „Außer der Bibel und manchen Gemälden kenne ich kaum etwas, das so tiefsinnig Glaubenserfahrung und -wahrheit vermittelt wie Legenden und Sagen.“ Unter anderem gäben sie wertvolle Hinweise, welche Einsichten man im Laufe des Lebens nicht über Bord werfen dürfe.

Den Blick auf das Bleibende richten, Glauben neu bewerten und erleben: Dafür ist das Alter eine gute Zeit, meint die Theologin. Ihre Anstellung im Kirchenkreis läuft aus, am 27. Juli wird sie mit einem Gottesdienst um 17 Uhr in Bolzum verabschiedet. Doch die Hannoveranerin hat sich in diesem Kirchenkreis und besonders in der Zusammenarbeit mit Superintendent Helmut Aßmann so wohl gefühlt, dass sie auch nach der Pensionierung in Hildesheim präsent bleiben möchte. Immer wieder unter der Prämisse: „Wie bringe ich die Menschen zu neuen Blicken?“