Kirchenkreistag des Ev.-luth. Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt
Kirchenamt Hildesheim
13.2.2014
„Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Mt. 6, 24)
Liebe Schwestern und Brüder,
mein Bericht hat heute zwei Teile: einen geschäftsmäßigen und einen theologischen, veranlaßt durch die Ereignisse um den Limburger Bischof und die damit einherge-henden z.T. sehr grundsätzlichen Anfragen an die Form und das Wirken der Kirchen in Deutschland.
Der erste Teil: einige Schwerpunkte der Arbeit im Kirchenkreis in den letzten Mona-ten. Es sind dies:
a) die Nachbesetzung der Amtsleitung im Kirchenamt
b) die perspektivische Arbeit des Finanz- und Planungsausschusses
c) die Errichtung eines Gebäudemanagements
d) die Entwicklung der Kindergartenträgerschaft
e) Strukturanpassungsmittel
f) Bildungslandschaft
g) Visitationen
h) St. Jakobi
i) eine Kleinigkeit: Besuch auf der EXPO – Real
Die Erfahrung lehrt ja, daß im Allgemeinen diese Berichte zu lang und zu langweilig sind. Das trifft natürlich auch auf diesen Bericht zu. Deswegen will ich ihn möglichst kurz und – wo möglich – kurzweilig halten.
Zur Nachbesetzung des Amtsleiters
Das hält beide Kirchenkreise immer noch in Atem. Dass wir immer noch nicht weiter sind, lag wirklich nicht am Verbandsvorstand, soviel man den evangelischen Gremien auch sonst an allgemeiner Langsamkeit unterstellt. Der hatte arglos und gutwillig seine Angelegenheiten erledigt. Womit nicht zu rechnen war, damit hatte er auch nicht gerechnet: mit den ewigkeitlich langen Rechtsverfahren einer Konkurrentenklage und ihren erstaunlich langwierigen Nachläufen. Wir sind jetzt dabei, eine neue Ausschrei-bung zu platzieren. Nun hat uns diese ganze Nachbesetzungsprozedur gleichwohl die Freude bereitet, dass Frau Stepper das Kirchenamt als Leitung kommissarisch übernommen hat.
Die Aufarbeitungen aus der Zeit davon dauern an. Wir hoffen sehr, alle zusammen, dass in das Arbeiten des Kirchenamtes weiterhin Ruhe einkehrt und eine möglichst gesprächsoffene Atmosphäre mit den Gemeinden den Ton angibt.
Nebenbei bemerkt, ist das Kirchenamt gerade in einer durchaus fruchtbaren Phase. Binnen kurzer Zeit sind drei Kinder geboren worden bzw, werden erwartet. Das löst noch keine verwaltungstechnischen Probleme, zeigt aber augenzwinkernd an, dass hier Menschen arbeiten, die Lust am Leben haben. Das kann, auch wenn es immer entsprechende Ausfallzeiten mit sich bringt, unserer Lebensatmosphäre nur gut tun.
Zur Arbeit des FiPS
Der neue Finanz- und Planungsausschuss hat sich zur Aufgabe gemacht, die Finanzen des Kirchenkreises einmal in jedem Detail anzusehen und dafür zu sorgen, daß in den kommenden Jahren so wenig Änderungen wie möglich an der Stellendisposition vorgenommen werden. Nähere Einzelheiten dazu hat der Vorsitzende des Planungsausschusses ja in dieser Sitzung vorgetragen. Wir haben also die gute Aussicht, in der kommenden Planungsperiode bis 2020 keine Änderungen im Stellenplan vornehmen zu müssen. Perspektivisch ist das auch der Auftrag an die Kirchenge-meinden und die Einrichtungen, Vorsorge für die Zeit danach zu treffen. D.h. konkret, sich zu überlegen, welche Arbeitsgebiete in welcher Form und mit welcher Priorität betrieben, ausgebaut oder vermindert werden sollen. Eines jedenfalls ist dieses Stelleplanungsmoratorium nicht: ein Ruhekissen für die weiteren Planungsperioden.
Der Ausschuss in dieser KKT - Periode führt viele Kompetenzen zusammen, die wir gut brauchen können für diese wichtige Aufgabe. Es wird deswegen auch überlegt, wie wir unternehmerische Impulse in das gemeindliche und das Handeln des Kirchenkreises aufnehmen können. Vielleicht wird sich auf diesem Wege nicht nur die wirtschaftliche Wachsamkeit unserer Gemeinden und Einrichtungen verbessern, sondern auch manche neue inhaltliche Arbeit.
Die Errichtung eines Gebäudemanagements
Die Landeskirche hat die Einführung eines Gebäudemanagements für alle Kirchenkreise gefordert und dazu wieder einmal Fördermittel ausgelobt. Wir, also beide Kirchenkreise, haben uns artig an die Arbeit gemacht und versuchen gerade, einen Prozess der Gebäudeentwicklung zu formulieren, der drei Dinge kann:
- erstens den Gemeinden die Entscheidungshoheit über ihre Gebäude belassen,
- zweitens eine nachvollziehbare Kriterienreihe ermitteln, durch die ein kirchliches Ge-bäude angemessen bewertet werden kann,
- drittens ein Entscheidungsverfahren vorstellen, durch das Kirchenkreis und Gemein-den zu guten und schnellen, vor allem aber einvernehmlichen Entscheidungen über kirchliche Gebäude kommen.
Darin sind wir zunächst weit gekommen. Beide Kirchenkreise haben einen gemeinsamen Antrag für die Fördermittel gestellt, und wir haben inzwischen eine gemeinsame Austauschkultur in den beiden Gebäudemanagementausschüssen eingerichtet. Wir werden Sie darüber auf dem Laufenden halten, weil an der Gebäudeentwicklung und dem dazugehörigen Management der zweitgrößte Haushaltsposten hängt. Soweit man so etwas voraussagen kann, werden wir im Laufe dieses Jahres in die operative Phase des Gebäudemanagements einsteigen. Woran es derzeit in der Kooperation noch hapert, sind die verschiedenen Zugangswege, die die beiden Kirchenkreise für das Gebäudemanagement beschreiten wollen. Hier gibt es noch einigen Abstimmungsbedarf.
Wobei ich es mir nicht verkneifen kann, darauf hinzuweisen, dass auch hier, wie schon im Bereich der Doppik, die Einführung solch komplexer Instrumente wie eines Gebäudemanagements mit unzureichenden Mitteln und Unterstützung durch die landeskirchliche Verwaltung vonstatten gehen muss. Wieder muss jeder Kirchenkreis seine eigene Philosophie erfinden, was in den weiteren Fusionen und Kooperationen voraussehbar zu einer Reihe von Komplikationen führen wird. Ein weiterer Beleg da-für, dass es nicht an uns liegt, wenn es die Kirche noch gibt …
Die Entwicklung der Kindergartenträgerschaft
Nach einigem Gerumpel zu Beginn des Jahres ist nun die Personalleiste für die zentrale Kirchenkreisträgerschaft vollständig. Soweit ersichtlich, gibt es weder im Bereich Hildesheimer Land – Alfeld noch im Bereich Hildesheim – Sarstedt größere Proble-me. Abstimmungs- und Zuständigkeitsholprigkeiten immer mal wieder, aber eigent-lich keine systematischen Fehlentwicklungen.
Wir sind dabei, eine erste große Evaluation vorzubereiten, um diesem unbestimmten Gefühl noch ein wenig Datensicherheit zu geben, aber es scheint, als wäre der Weg im Großen und Ganzen richtig. Zwei Einrichtungen haben die Segnungen dieses Verfahrens zwar noch nicht richtig zu würdigen verstanden, aber das Verhältnis ist gut und konstruktiv.
Großer Dank gebührt an dieser Stelle den Geschäftsführenden Ausschüssen, die sich mit viel Aufwand und Engagement in die begleitende Arbeit stürzen. Auch die Verwaltung, die insgesamt nun für knapp 50 Kindertagesstätteneinrichtungen verantwortlich zeichnet, gibt sich mehr als nur Mühe, diesen Prozess voranzutreiben und gelingen zu lassen.
Ein gutes Zeichen übrigens, dass gemeinsame Fragen in den Kirchenkreisen allmählich weniger werden, stattdessen die Einzelbetrachtungen an Umfang zunehmen. Will sagen: wir können uns den Details zuwenden.
Strukturanpassungsmittel
Erneut hat die Landeskirche im vergangenen Jahr eine Sonderzahlung an die Kirchenkreise veranlasst, die in besonderer Weise ihre Stellenpläne durch das FAG haben kürzen müssen. Auch unsere beiden Kirchenkreise des Verbandes haben davon profitiert. Es handelt sich immerhin um den stolzen Betrag von ca. 270.000 €, die der Kirchenkreis für strukturpolitische Verbesserungen verwenden darf – und nur für sie. Man kann sich, wie immer, darüber streiten, ob das ein sinnvolles Verfahren ist. Nun, wie die Dinge stehen, bestünde die einzige Alternative darin, das Geld einfach ste-hen zu lassen – und das ist keine sinnvolle Alternative.
Deswegen hat der Kirchenkreisvorstand dem Verbandsvorstand, der der Zahlungsempfänger und der Antragsteller ist, empfohlen, die Mittel für eine Strukturverbesse-rung in unseren Kindergärten einzusetzen. Und zwar soll es darum gehen, durch eine geeignete Fachkraft die musikalische Bildung in den Kindertagesstätten unseres Kirchenkreises zu fördern und – wenn möglich – eine musikalische Fachkraft in jeder Einrichtung heranzubilden. Auf diese Weise soll das Profil unserer KiTas gestärkt und die Hinführung zum musikalischen Leben der Kirchengemeinden vorbereitet werden. Damit entspricht der Kirchenkreis im übrigen auch den groß angelegten Musikalisierungsprogrammen des Landes und der Landeskirche, allerdings mit der wich-tigen Verbesserung, dass wir hier nicht nur ein Projekt auflegen, sondern auf eine dauerhafte Qualitätsverbesserung unserer pädagogischen Arbeit hinwirken können. Der Antrag liegt derzeit beim Landeskirchenamt. Der andere Kirchenkreis hat sich dafür entschieden, einen Springerstelle für einen Pastor einzurichten, da die Region Hildesheimer Land und Alfeld sehr viel stärker von Vakanzen belastet ist als unser Kirchenkreis.
Bildungslandschaft
Eine weitere Besonderheit hat die Synode dem Kirchenkreis zukommen lassen. Weil es in unserem Kirchenkreis solch eine große Anzahl von Bildungseinrichtungen gibt, hat sich die Synode entschlossen, in Hildesheim und im Wolfsburg zwei Projekte an-laufen zu lassen, in denen versucht werden soll, die verschiedenen Bildungseinrichtungen miteinander zu verbinden und die Kooperationen möglichst eng aufeinander abzustimmen. Dafür haben wir die entsprechenden Personal- und Sachmittel überplanmäßig erhalten und eine Kulturwissenschaftlerin eingestellt, die auf diesem Gebiet einschlägige Erfahrungen gesammelt hat. Es handelt sich um die Frau von Pastor Grön aus der Martin Luther Gemeinde, die auf diesem Wege gleich einen zweiten Einstieg der Familie Grön in den Kirchenkreis besorgen kann. Der Antritt ihres Dienstes wird voraussichtlich im April stattfinden.
Visitationen
Im letzten Jahr waren die Gemeinden in den Regionen Nord und Süd zu visitieren. Das war eine große Freude, muss ich sagen. In keiner Gemeinde war Trauer und Trübsal angezeigt, sondern viel Aufbau, Innovation und Mut zum Risiko zu sehen. Ich will keine Gemeinde besonders hervorheben, sondern nur darauf aufmerksam machen und dankbar zur Kenntnis nehmen, mit wieviel Umsicht und Eifer zu Werke gegangen wird. Alles andere als eine traurige und niedergehende Spezies, unsere Kirche, gelegentlich mit geradezu kuriosen Details. Eins davon: Wahrscheinlich ist die Martin Luther Gemeinde die einzige lutherische Kirchengemeinde der EKD, die eine römisch-katholische, schwarze Gemeindesekretärin vorzuweisen hat, die im Ortsrat des Stadtteils ehrenamtlich tätig ist. Wenn das nicht innovativ und risikofreudig ist!
Es ist bemerkenswert, dass in unserem Kirchenkreis insgesamt acht Vikariatsleiter und –leiterinnen tätig sind, wir in den letzten Jahren bis zu sechs Vikare gleichzeitig in unseren Gemeinden tätig sind. Wir haben es diesbezüglich gut, sowohl was die Attraktivität unserer Gemeinden und die Strukturprivilegierung unserer Lage im Weichbild von Hannover angeht als auch die Finanzausstattung unserer Kirchengemeinden, selbst wenn es immer wieder einmal im Detail knapp ist. Aber der kirchliche Reichtum unserer Region ist beträchtlich, und die Akzeptanz der Kirche in der Öffentlichkeit nach wie vor hoch. Das ist nichts, worauf wir uns ausruhen könnten, aber eine Gabe, mit der wir gut umzugehen aufgerufen sind.
St. Jakobi
Seit dem 1.1.2014 ist nun endlich die Stelle an St. Jakobi wieder besetzt. Das war ein langer Weg, aber, wie sich jedenfalls bislang gezeigt hat, ein vielversprechender.
Zum einen musste immer wieder präzisiert werden, mit welchem Profil die Kirche „wieder ans Netz“ gehen sollte. Dass St. Jakobi inzwischen als besonders geförderte Kulturkirche mit dem Schwerpunkt Literatur von der Landeskirche in ihr Programm aufgenommen wurde, ist ein Hinweis darauf, dass sich diese Detailarbeit gelohnt hat.
Zum anderen ist durch die Entscheidung, statt eines Pastors einen Kulturwissenschaftler anzustellen, der eine intensive Verbindung zur Kirche hat und damit einen neuen Akzent in die kirchliche Arbeit setzt, ebenfalls eine richtungsweisende Ent-scheidung gefallen. In ihr kommt zum Ausdruck, dass hier ein neuer Weg beschritten wird, was den Dialog mit der gesellschaftlichen Öffentlichkeit angeht. Der besondere Ort der St. Jakobi Kirche in der Innenstadt wird nun auch programmatisch gefüllt. Wegen der neuen Besetzung müssen wir nachher die bisher als Pastorenstelle ausgewiesene Stelle neu beschreiben – finanziell ändert sich für den Kirchenkreis dadurch nichts.
Am 30.4.2014 wird die Kirche wieder eröffnet. Wir haben von Herrn Brall einiges gehört, wie es dann in der Entfaltung der inhaltlichen Arbeit weitergehen soll. Wie es aussieht, werden sowohl der Landesbischof als auch Prof. Hanns – Joseph Ortheil an dieser Eröffnung teilnehmen.
Was die baulichen Veränderungen angeht, so liegt das Augenmerk erst einmal auf den wichtigen infrastrukturellen Verbesserungen im Eingangsbereich und in der technischen Ausstattung. Es gilt der Satz: wir bleiben im Rahmen des gültigen Etats.
Eine Kleinigkeit: der Besuch auf der EXPO – Real
Auf Einladung der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises hat-te ich das Vergnügen, mit einigen Vertretern aus dem Bereich der Wirtschaft, der Kommunalpolitik, den Infrastrukturunternehmen, den Geldinstituten und Immobilienfirmen die sogenannte EXPO – Real zu besuchen, die größte europäische Messe für Facility- und Immobilienmanagement in Europa. Natürlich war ich als Kirchenvertreter dort ein Exot, aber in Sachen Infrastruktur, Immobilien und Kommunalpolitik wurde sehr schnell deutlich, wie nahe uns manche Fragen zusammenbringen, was die Entwicklung unserer Gemeinden und Kommunen und Städte angeht.
Noch nie in meinem Leben habe ich eine solche Anzahl von Männern gleichen Alters, gleichen Haarschnitts, ähnlicher Kleidung und identischen Gesichtsausdrucks gesehen wie auf dieser Messe. Der Frauenanteil ungefähr so wie bei Kirchens in den 60er Jahren. Dort fließt Geld in solchen Mengen, dass einem ganz schwindlig werden kann und die finanziellen Missstände in Limburg wirklich nur als peanuts bezeichnet werden können.
Die eigentlich interessante Beobachtung aber war, dass sich der Landkreis Hildesheim insgesamt wie eine kommunal- und regionalpolitische Familie versteht, mit in-tensiven Kontakten zwischen alle zuvor Genannten und einer großen Vertrauenskultur – bei allen politisch bedingten Konkurrenzverhältnissen. Es war auffällig, dass aus den Zentren Göttingen, Braunschweig, Hannover oder Wolfsburg eine ähnlich Qualität nicht zu erkennen war. Ich glaube, wir haben hier auch eine wichtige kirchliche Rahmenbedingung zu notieren: der Landkreis, der ja territorial nahezu identisch mit dem Kirchenkreisverband ist, ist eine soziale Einheit, mit der wir als evangelische Kirche klug zusammenarbeiten sollten und auch können. Die Bereitschaft auf der anderen Seite ist auch da.
Mit den beiden Kollegen aus dem Kirchenkreis Hildesheimer Land – Alfeld habe ich darüber schon gesprochen, und wir werden deswegen auch gemeinsame manche Gesprächskontakte neu setzen. Die gemeinsame Kindertagesstättenträgerschaft ist, aus diesem Blickwinkel betrachtet, eine ausgesprochen sinnvolle Koordinierungs-maßnahme gewesen.
Nun zum theologischen Teil
Der Limburger Bischof hat von Anfang an problematische Zeichen gesetzt in seinem Bistum. Nun hat ihn die enorme Verteuerung seines Bischofssitzes und seine mutmaßliche Falschaussage wegen seines Indienfluges vermutlich sein Amt gekostet. Lassen wir die konfessionellen Besonderheiten einmal beiseite. Auch an den ins Kraut schießenden Spekulationen über den weiteren Werdegang dieses Geistlichen mag ich mich nicht beteiligen. Aber es lohnt den Vorgang genau anzusehen, um ggf. auch im Gespräch Rede und Antwort stehen zu können.
Die Öffentlichkeit reagiert äußerst empfindlich auf die Balance zwischen Verkündigung und Besitz, zwischen Lebenshaltung und Glaubenslehre. Sie hat darin, finde ich, unaufgebbar Recht, dass Besitz und Vermögen der Glaubwürdigkeit der Verkündigung tatsächlich Abbruch tun. Man kann dagegen nicht argumentieren. Die Sache hat ja einen wahren Kern: wer Besitz anhäuft und materielle Güter sein eigen nennt, wird auch von diesen sichtbaren Merkmalen seines Lebens her verstanden. Wer der-lei nicht hat, wird von anderen Merkmalen her gedeutet. In einer Welt aber, die sich maßgeblich durch Besitz und Vermögen definiert, gerät eine Kirche, die ihrerseits mit großem Besitz und Vermögen aufwartet, zugleich aber verkündet, dass es darauf eben nicht ankomme, in einen notorischen Glaubwürdigkeitskonflikt. „Um es mit den Worten Jesu zu sagen: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“. So einfach ist das.
Es ist zwar nicht wahr, dass das meiste Vermögen der Kirche durch Lug und Trug zusammen gekommen ist. Es stimmt auch nicht, dass das Christentum im wesentli-chen durch Gewalt und Repression verbreitet worden ist. Aber das hat es eben immer wieder einmal gegeben, und diejenigen, die sich die entsprechenden Vorgänge ziehen, haben immer eine oberflächliche Plausibilität auf ihrer Seite.
Auch unsere evangelische Kirche ist sehr reich. Auch sie hat unzählige Gebäude, Kirchen, Kapellen, Ländereien, Betriebsgesellschaften, Firmen usw. Das ist zwar al-les in der Regel transparenter und stärker parlamentarisch kontrolliert als bei man-chen katholischen Einrichtungen, und wir sind – im Vergleich – eher kleine Fische zu den Größenordnungen, mit denen es das Erzbistum Köln oder der Vatikan zu tun haben. Aber das sind Beiläufigkeiten. Im Kern steht die systematische und sachlich völlig berechtigte Frage: was sagen wir angesichts der Tatsache, dass uns Jesus geboten hat, kein Geld zu nehmen, sondern einfach von dem zu leben, was uns ge-geben wird, zu unseren Reichtümern, unseren Tempeln und Kirchen und Palästen? Die Antwort auf diese Frage ist weder schnell noch einfach gegeben. Und alle die, die der Kirche nur etwas am Zeug flicken wollen, machen es sich zu leicht.
Ich möchte auf drei Dinge aufmerksam machen. Erstens: es ist wichtig, dass wir unsere Finanzierungsgepflogenheiten kennen. Es ist wichtig, dass wir über die Finanzierungsverfahren einigermaßen Auskunft geben können. Das ist auch nicht schwer. Der Haushalt der Landeskirche ist für jedermann einsehbar im Internet zu finden. Auch der Kirchenkreishaushalt ist jedermann zugänglich. Unser Bischof wird nicht vom Staat bezahlt, und die Rücklagen, die wir haben, dienen weder der persönlichen Bereicherung noch einer christlichen Gier nach Besitz und Einfluß, sondern haben ganz einfach wirtschaftliche Hintergründe, haben vor allem den Sinn, ein verantwortlicher Arbeitgeber und ein guter Haushalter der uns anvertrauten Güter an Gebäuden und Ländereien zu sein. Die astronomischen Zah-len, die in den Medien umlaufen, kommen aus den zumeist verantwortungslosen Rechnereien, in denen liquide Mittel, immobiles Vermögen und alle irgendwie in Zah-len ausdrückbare Güter zusammengeschoben werden. Sie sind zumeist aus Effektheischerei geboren, aber eben wirksam.
Der Wert einer Kirche etwa – wer soll den ermessen? Natürlich ist das zentrale Grundstück in der Stadt enormes Geld wert. Aber ist es sinnvoll, dieser geschichtlich gewachsenen Struktur stets und immer niederträchtigen Hintergrund durch habgierige Bischöfe und Kirchenkreise zu unterstellen?
So kann man Stück für Stück den Anwürfen sachlich entgegentreten und sollte es auch tun, in jeder Gemeinde, jeder Einrichtung und Kirchenkreis. Das gehört zum ordentlichen Umgang mit der Geschichte, in der wir stehen.
Zweitens folgt daraus: Für den Besitz, den die Kirche im Laufe der Jahrhunderte be-kommen und erwirtschaftet, gelegentlich auch mit unlauteren Mitteln, müssen wir uns nicht persönlich entschuldigen. Es ist keine Straftat, Eigentümer einer Kirche, eines Friedhofs oder Betreiber einer Kindertagesstätte zu sein. Sofern wir darauf achten, dass dieser Besitz seiner Funktion entsprechend bewirtschaftet wird – und das ist in den allermeisten Fällen gegeben –, ist am Besitz nichts von Haus aus Anstößiges. Jesus hat seinen Gegnern nie Reichtum zum Vorwurf gemacht, sondern den Umgang damit. Er lebte ja selbst vom Vermögen wohlhabender Leute.
Vermutlich wäre er niemals Superintendent oder Bischof geworden, weil genau dieser Konflikt von Besitz und Verkündigung ihn um seine Wirkungskraft gebracht hätte, aber er hat gegen den Tempel nie gewettert, hat dem priesterlichen Dienst seiner Zeit keine Zornesattacken entgegengeschleudert und ist im Rahmen seiner Religion geblieben.
Sein Zielpunkt war aber stets dieser: das Verhältnis zu Gott wächst nicht mit der finanziellen Ausstattung einer Gemeinde oder Einrichtung, im Gegenteil: je mehr einer hat, umso mehr hat ihn das, was er hat. Worauf es für uns ankommt, ist die Wachsamkeit, unser Gottesverhältnis nicht auf den Besitz der Kirchen und Gemeinden zu gründen, sondern ihm frei gegenüber zu tun und zu lassen, was dem Glauben an den dreieinigen Gott entspricht.
Drittens: das Vermögen und der Besitz der Kirche muss erkennbar einer dienstlichen Funktion zugehören. Es ist nicht unser Besitz im Sinne eines Eigentumsverhältnisses. Es ist ein Lehen, mittelalterlich gesprochen, damit in den Kirchen Gottesdienst gefeiert, damit in den Werken den Menschen gedient und damit durch das Geld die Übelstände der Welt gelindert werden. Wo immer wir als Gemeinden beginnen, die Gebäude und Immobilien als Eigentum zu betrachten, die um jeden Preis zu halten sind, weil sie uns gehören, gerät diese Zuordnung in eine Schieflage. Hier haben wir alle darauf zu achten, dass wir uns nicht fälschlicherweise wie anmaßende Hausbesitzer gerieren, denen es lediglich um Besitzstandswahrung geht. Privare aus dem lateinischen heißt nicht umsonst auch: „berauben“.
Hier wird in unserer Kirche viel gesündigt in Sachen Ehrlichkeit. Wir hängen alle am Geld. Auch wir Hauptamtliche. Wir leben ja geradezu von den Mitteln, die aus Kirchensteuermitteln und Staatsleistungen und anderen Geldquellen in die Gemeindekassen fließen. Wir sollten das auch nicht ausblenden. Schief wird es immer nur dann, wenn daraus Ansprüche hergeleitet werden, Geschäfte entstehen, aus denen der Geist Gottes entwichen ist, wenn nicht mehr erkennbar ist, für was diese Gelder da sind, wenn der Erhalt des Bestandes das Ziel des Engagements wird. „Was nicht dient, wird zum Raub“, so hat es einer meiner geistlichen Väter einmal formuliert. Das ist auch meine Bitte an alle Verantwortlichen in unseren Gemeinden und im Kirchenkreis, mich eingeschlossen, dass wir einander helfen, dem Geld seinen beschränkten Raum der Bedeutung zuzuweisen.
Helmut Aßmann
X/ 2013 – II/ 2014