Schöner als die Nationalelf

Nachricht Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt, 11. Juli 2014
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Eine Szene aus dem Kindermusical „Israel in Ägypten“, das gerade in St. Lamberti, Paul-Gerhardt und St. Magdalenen zu erleben war. Foto: Schrötke 

300 Kinder und Jugendliche singen in den Chören des evangelischen Kirchenkreises

Hildesheim. Es war ein Kompliment der besonderen Art, das auf Regina Wilken wartete, als sie nach einem langen Wochenende mit dem Kindermusical „Israel in Ägypten“ ihre Mails checkte. „Als ich nach Hause gefahren bin“, las die Chorleiterin der Matthäus-Gemeinde in einer Mail, „habe ich gedacht: Wie schön, dass ich das sehen konnte und auf das Fußballspiel verzichten durfte!“ Bei dem Fußballspiel handelte es sich immerhin um das WM-Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich.

Erst „Israel in Ägypten“ mit drei Aufführungen in St. Lamberti, Paul-Gerhardt und St. Magdalenen, an diesem Sonntag gleich das nächste Bibelmusical, „Bartimäus“ in der Itzumer Katharina-von-Bora-Gemeinde: Kurz vor den Sommerferien lassen die Kinder- und Jugendchöre im evangelischen Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt reichlich von sich hören. Kirchenkreiskantor Helge Metzner zählt zehn Gemeinden in Hildesheim, Rössing und Sarstedt, die neben den Erwachsenen-Kantoreien und Gospelchören mit 800 Mitgliedern auch Kinder- und Jugendangebot machen, meistens gleich mehrere Gruppen für unterschiedliche Altersstufen. Insgesamt, so Helge Metzner, singen rund 300 Kinder und Jugendliche mit.

Sie treffen sich einmal pro Woche zur Chorprobe, zusätzlich wird regelmäßig Stimmbildung angeboten. Christliche Lieder stehen auf der Agenda, aber nicht nur. „Wir haben auch schon die Bremer Stadtmusikanten gemacht“, erzählt Regina Wilken. Und Helge Metzner übt mit dem Jugendchor von St. Lamberti gerne auch aktuelle Hits ein, schafft sich dafür extra die Klavierbegleitung drauf. Denn Playbacks, sagt der Kantor, kommen bei ihm nicht in die Tüte – jedenfalls nicht bei Aufführungen.  

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Akrobatische, szenische und tänzerische Einlagen peppen die Auftritte der Kinderchöre auf, wie hier bei Jubiläumskonzert „Von Jona bis Joseph“ im vorigen November in der Katharina-von-Bora-Gemeinde. Foto: Konrad-Nöhren 

Die Chöre singen bei Gottesdiensten, in Altenheimen, bei Festen oder auch mal beim Neujahrsempfang des Ortsrates. Die großen Zugpferde jedoch sind die Musicals. Swantje Krischke, Chorleiterin in Itzum, bringt mit ihren drei Chorgruppen zweimal im Jahr Musicals auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Mit Band, Bühnenbild, Kostümen und allem Zipp und Zapp. In der Katharina-von-Bora-Gemeinde sind besonders viele Kinder und Jugendliche musikalisch aktiv: Mehr als 90 sind im Moment dabei, die jüngsten im Vorschulalter, die Ältesten kurz vorm Abi. „Ohne die Musicals“, vermutet Swantje Krischke, „kämen nur halb so viele.“

Die 48-Jährige macht schon in den Kitas mit Flyern Werbung. Wer früh einsteigt, so ihre Erfahrung, bleibt länger. Oft werden die Kinder mit dem Chor erwachsen, sind zehn Jahre oder mehr dabei. Diesen Prozess zu begleiten, finden auch Regina Wilken und Helge Metzner, sei mit das Schönste an der Chorarbeit. Nicht zuletzt sei es spannend, zu sehen, wie das Selbstbewusstsein sich entwickelt: Erst trauen sich die Kinder nur kleine Sprechrollen zu, später singen sie Solopartien in großen Aufführungen.

Die Begeisterung der Kinder und Jugendlichen ist der Hauptantrieb für die ChorleiterInnen im Kirchenkreis. „Man muss nur in die Augen der Kinder sehen!“, sagt Regina Wilken und strahlt dabei selber. Längst nicht alle Gemeinden können sich hauptamtliche ChorleiterInnen leisten, ein Großteil der Arbeit wird ehrenamtlich geleistet. Auch von denen, die eine feste Stelle haben. Der riesige Aufwand, um ein Musical vorzubereiten, dazu Chorwochenenden, Ausflüge mit Übernachtungen, spontane Freizeitaktivitäten: All das ist im offiziellen Zeitbudget einer ChorleiterIn nicht vorgesehen, gehört aber einfach dazu. Weil im Chor die Gemeinschaft genauso wichtig wie das Singen ist.

„Die Familien sollen sich in der Gemeinde wohl fühlen“, meint Swantje Krischke, dazu könnten die Chöre einen wichtigen Beitrag leisten. Deshalb stehen sie für alle offen, eine Aufnahmeprüfung gibt es nicht. Was dabei herauskommt, ist trotzdem gut. So gut sogar, dass manche sie Jogis Jungs im Viertelfinale vorziehen. Ralf Neite