Zwischen Offenheit und Beliebigkeit

Nachricht Hildesheim, 17. Oktober 2014
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Wie soll die Kirche dem veränderten Familienbild in der Gesellschaft begegnen? Darüber diskutierten in der Evangelischen Familienbildungsstätte Gabriele Bonnacker-Prinz, Superintendent Helmut Assmann, Magdalene Martensen und Pastor Axel Sommerfeld. Foto: Barth  

Was bedeutet Familie in der Kirche? Küchengespräch in der Evangelischen Familienbildungsstätte

Hildesheim. Die klassische Familie, bestehend aus verheirateten Eltern mit Kind, ist noch immer am weitesten verbreitet. Doch daneben gibt es zunehmend andere Lebensgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen: Patchworkfamilien, Alleinerziehende, Lebenspartner ohne Trauschein, gleichgeschlechtliche Paare. Wie soll und kann die Kirche mit dieser veränderten Wirklichkeit umgehen? Dieser Frage widmete sich das Küchengespräch in der evangelischen Familienbildungsstätte. Der Konflikt spiegelte sich im Titel des Abends: „Familien in Vielfalt stärken, ja!...aber wie heilig ist die Ehe?“

Zurzeit diskutieren Bischöfe aus aller Welt im Vatikan das Familienbild der katholischen Kirche. Eine Diskussion, die äußerst kontrovers geführt und aufmerksam beobachtet wird – auch von Menschen, die sich für kirchliche Belange sonst nicht interessieren. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat im vergangenen Jahr mit einer Orientierungshilfe zur „Familie zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ ebenfalls heftige Gegenreaktionen hervorgerufen. Dass alle Menschen in der Kirche freundlich aufgenommen werden sollen, dass Seelsorge, Rat und Begleitung für jeden da sein sollen, darüber besteht Einigkeit. Darüber hinaus gibt es offensichtlich noch viel Gesprächsbedarf.

Dem stellten sich in der Evangelischen Familienbildungsstätte deren Leiterin Magdalene Martensen, Superintendent Helmut Assmann, die Leiterin der Katholischen Familienbildungsstätte Gabriele Bonnacker-Prinz und Axel Sommerfeld, Pastor der Freien evangelischen Gemeinde. Die Schöpfungsgeschichte ordne Mann und Frau einander zu und daraus habe die Kirche einst als ordnungspolitische Macht absolute Regeln abgeleitet, erklärte Superintendent Helmut Assmann. Die lutherische Auffassung, die den Glauben und die persönliche Beziehung zu Gott an erste Stelle rücke, habe einen liberaleren Umgang mit diesen Regeln möglich gemacht. Martin Luther habe die Ehe ein „weltlich Ding“ genannt: „Das heißt aber nicht, dass sie beliebig ist“, betonte Helmut Assmann.

Für Katholiken sei die Ehe ein Sakrament, „ein sichtbares Zeichen einer unsichtbaren Gnade“, so Gabriele Bonnacker-Prinz. Das mache Änderungen schwierig. Das ungelöste Problem, ob Geschiedene nach ihrer Wiederverheiratung die Kommunion empfangen dürften, verdränge andere wichtige Fragen. In vielen Gemeinden werde die Kommunion diesen Gläubigen keineswegs verweigert. Trotzdem sei es für sie sicherlich nicht angenehm, in dem Wissen mitzufeiern, dass ihr Recht darauf umstritten sei. Ähnlich ergehe es wohl gleichgeschlechtlichen Paaren: Selbst wenn sie in der Gemeinde herzlich aufgenommen würden, sei ihnen doch die ambivalente Haltung der Kirche ihrer Lebensweise gegenüber bewusst.

Die enge Verbundenheit miteinander schaffe in der Freien evangelischen Gemeinde ein Netzwerk, das Familien jeder Art einbeziehe, erläuterte Pastor Axel Sommerfeld. Ein gemeinsames Frühstück vor dem Gottesdienst oder Kinderbetreuung während einer Veranstaltung komme Alleinerziehenden entgegen. So bleibe man miteinander im Gespräch. „Gott liebt alle Menschen, aber nicht alles, was sie tun“, sagte Axel Sommerfeld. Der Glaube jedoch, so meinte er, könne beispielsweise bei gleichgeschlechtlichen Paaren den Blick auf sich selbst und das Leben verändern. Schließlich trage auch die Lebensgeschichte zur Entwicklung der sexuellen Ausrichtung bei.

Diese Annahme rief allerdings leidenschaftliche Gegenrede aus dem Publikum hervor. Das klinge so, als sei Homosexualität eine Krankheit oder anerzogen, wandte eine Pastorin ein. Das gebe homosexuellen Frauen und Männern das Gefühl: „Du bist hier nicht richtig.“ Eine andere Zuhörerin kritisierte die Empfehlung der katholischen Kirche an Wiederverheiratete, sie sollten in der Nachbargemeinde zur Kommunion gehen, wo sie niemand kenne: „Da trampelt man auf einer Christenseele herum.“

„Sobald man eine Norm setzt, entsteht das Problem: Wie geht man trotzdem wertschätzend mit denjenigen um, die der Norm nicht entsprechen“, meinte Gabriele Bonnacker-Prinz. Helmut Assmann warnte davor, den manchmal weltfremd erscheinenden Bemühungen der katholischen Kirche, die Ehe „als heilig empfundenes Element zu schützen“, mit Hohngelächter zu begegnen. Es sei zwischen der seelsorgerischen und der ordnungspolitischen Sicht zu unterscheiden. Natürlich dürfe jeder kommen, aber das Leitbild der Kirche bleibe die Familie als Mann, Frau und Kind. Wiebke Barth

Info-Zusatz
Interessierte können ihre Meinung zum Artikel und Thema "Ehe und Familie" an die EFB Hildesheim mailen: familie.hildesheim@evlka.de. Unter www.familiehildesheim.de werden Leser-Beiträge, weitere Informationen und links zum Thema eingestellt.