Mehr Torte statt Streuselkuchen

Nachricht Berlin, 27. Mai 2017
Torte im Park Berlin Team mit Torte
 Sabine Howind, Elske Sibberns, Lars Wichmann und Katrin Bode präsentieren ihre Torte. Das Hildesheimer Projekt kam beim Publikum in Berlin gut an. Foto: Lothar Veit

Erfolg für Projekt „Torte im Park“ beim Deutschen Evangelischen Kirchentag / Viele Hildesheimer in Berlin dabei

Hildesheim/Berlin. „Torte im Park“ ist beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin zum innovativsten Praxisprojekt gewählt worden. Gut, Obama und Merkel waren auch da, aber aus Hildesheimer Sicht ist diese Nachricht mindestens gleichbedeutend. Diakonin Katrin Bode und ihr Team vom Kirchenkreisjugenddienst hatten sich für den Wettbewerb, angelehnt an das TV-Format „Die Höhle der Löwen“, beworben und waren mit fünf anderen nominiert worden. „Wir casten heute die Zukunft der Kirche“, hatte der Moderator zum Auftakt gesagt. Da das Publikum abstimmen durfte und ein beträchtlicher Fanclub aus Hildesheim mit nach Berlin gereist war, ging der Hauptpreis am Freitag am Fuße des Fernsehturms an das Torten-Projekt – das einzige aus der hannoverschen Landeskirche.
Der Grünen-Europaabgeordneten Terry Reintke gefiel die „Einfachheit“ der Idee: Kirchenleute gehen mit einer Torte in den Hildesheimer Magdalenengarten, bieten jedem ein Stück an und kommen so ins Gespräch. „Wir wollten Orte aufsuchen, wo die Menschen sowieso sind“, sagte Katrin Bode. „Wir bilden quasi eine Gemeinde auf Zeit.“ Dabei sei es ihr wichtig, dass es Torte gibt – und eben nicht trockenen Streuselkuchen, den man vielleicht eher mit Kirche in Verbindung bringt. Als ein Jury-Mitglied kritisch anfragte, ob Torte nicht eher etwas für Ältere sei, protestierte das überwiegend junge Publikum lautstark. „Mir gefällt auch das Zurückerkämpfen des öffentlichen Raumes, das ist eine tolle Idee“, lobte Jurorin Reintke. 

Torte im Park Berlin Katrin Bode
 Freude bei Katrin Bode. Das Publikum hat mit roten Bällen abgestimmt. Foto: Lothar Veit

Während Bode und ihre Kollegin Elske Sibberns das Projekt erläuterten, schnitten die Ehrenamtliche Sabine Howind und FSJler Lars Wichmann Tortenstücke für das Publikum an. „Natürlich haben wir eine Torte dabei“, sagte Bode, „aber nicht wegen der Abstimmung…“ – das mochte das Publikum nicht recht glauben, verweigerte sich dem kulinarischen Genuss gleichwohl nicht.
Bei mehreren Projekten ging es ums Essen: eine Gemeinde stellt in der eigenen Käserei Käse her, eine andere bietet ein Inklusions-Café an. Auch eine mobile Kirche in einem Kleinlastwagen gehörte zu den nominierten Projekten, bei denen es unter anderem darum ging, sie leicht nachahmen zu können. Gewinner waren mit deutlichem Abstand die Hildesheimer – die Zuschauer durften mit roten Plastikbällen für ihren Favoriten stimmen. Das Gesamtpreisgeld von 5000 Euro wird unter allen Finalisten prozentual aufgeteilt.
Projekte, Politik, Predigten – bei Kirchentagen liegt alles dicht beieinander. An einem Predigt-Slam, ein vom Poetry Slam abgekupferter Wettstreit, nahm die Hildesheimer Pastorin Birgit Mattausch teil. Sie arbeitet seit Januar in der Arbeitsstelle für Gottesdienst und Kirchenmusik im Michaeliskloster. Die Sprache beim verbalen Kräftemessen der Theologen ist rhythmischer und bildhafter als bei herkömmlichen Predigten. Es gibt eine kleine, feine Szene für diese Form. „Wir kennen uns, haben meistens auch zusammen Workshops besucht“, erzählt Mattausch, die zuvor Gemeindepastorin in Nürtingen war. „Die haben mich dort trotz meiner Predigt auf die Pfarrstelle gewählt“, sagt sie, „inzwischen haben sie sich dran gewöhnt.“  

Als die Theologin ihren Wechsel nach Hildesheim ankündigte, überlegte der Kirchenvorstand, ob er in der Ausschreibung fordert, dass der Nachfolger auch „slammen“ können muss. Am Donnerstagabend reichte es für Mattausch mit ihrem nachdenklichen Text zum Kirchentags-Motto „Du siehst mich“ nicht aufs Siegertreppchen. Als Preis gab es für sie eine Packung Maoam. Gewinner des Abends war ein junger Vikar aus Hamburg, der mit wohlplatzierten Gags und authentischem Jugendsprech die Gethsemanekirche im Prenzlauer Berg rockte. Sein Preis: eine Tüte Grünohrbärchen.
Damit eine solche Großveranstaltung reibungslos verläuft, werden unter anderem viele, sehr viele Pfadfinder benötigt. Neun Mitglieder der Hildesheimer CPD (Christliche Pfadfinderschaft Deutschlands), Stamm Ulrich von Hutten, waren im „Zentrum Jugend“ im Tempodrom eingesetzt. Dort bewachten die Jugendlichen von 16 bis 27 Jahren im Schichtdienst die Notausgänge und
Straßensperren, halfen Besuchern bei der Orientierung und auch beim Bühnenaufbau. Beim Eröffnungsgottesdienst am Mittwoch sammelten sie am Brandenburger Tor die Kollekte ein und sind auch am Sonntag beim Schlussgottesdienst in Wittenberg dabei. „Und Donnerstagabend waren wir alle beim Wise-Guys-Konzert“, erzählt der 21-jährige Gruppenleiter Tammo Kunnert.
Anders als bei früheren Kirchentagen lag die Sicherheit aber nicht nur in der Hand von Pfadfindern. Erstmals gab es bei den zentralen Veranstaltungen Einlasskontrollen und hohe Polizeipräsenz. Am Eingang des Messegeländes, wo sich ein Großteil des Kirchentagsprogramms abspielte, wurde das Gepäck durch den Scanner geschickt. Angesichts aktueller Terrorereignisse – und des Obama-Besuches – hatten die Besucher Verständnis und ließen es geduldig über sich ergehen.
Noch viel mehr Hildesheimer gestalteten das große Christentreffen mit. Aus dem Michaeliskloster waren gleich mehrere Mitarbeiter beteiligt, darunter der Musiker Wolfgang Teichmann mit seiner Band Ephatha, der „Veteran“ Fritz Baltruweit, die Posaunen-Beauftragte Marianne Gorka und das Team der Arbeitsstelle Kindergottesdienst. Die Tänzerin René Reith wirkte verantwortlich beim „Treffpunkt Tanz“ mit. Die Autorin Erdmute Frederking las lyrische Texte. Der Neutestamentler Professor Dr. Carsten Jochum-Bortfeld von der Universität Hildesheim legte die biblische Geschichte von Zachäus aus.
An Podiums-Diskussionen wirkten die Theologin Maria Herrmann vom Projekt „Kirche hoch zwei“ sowie Mitglieder der evangelischen und katholischen Studierendengemeinde mit. „Den Studentinnen ist es wichtig darzulegen, wie irrelevant den meisten Teilnehmenden an unseren Veranstaltungen die Konfession ist“, sagt Hochschulpastorin Uta Giesel. „Im studentischen Umfeld würde es am kleinen Standort Hildesheim daher eher befremdend ankommen, wenn sich evangelische und katholische Hochschulgemeinden separat darstellen und konkurrieren würden.“
Das passt zur neuen ökumenischen Aufbruchsstimmung, die sich durch das gesamte Reformations-Jubiläumsjahr zieht. Und die beim Kirchentag besonders ausgeprägt zu spüren ist. Lothar Veit / Kehrwieder am Sonntag