Kontroverse um die Kathedralen

Nachricht Hildesheim, 16. November 2018

Kirchenkreistag Hildesheim-Sarstedt verabschiedet 21-Millionen-Haushalt – Streit um Sonderzuschüsse für Michaelis und Andreas

Hildesheim. Der vermeintlich dickste Brocken war schnell erledigt: Der Kirchenkreistag Hildesheim-Sarstedt hat in seiner Sitzung am Donnerstagabend in den Haushalt für die Jahre 2019 und 2020 verabschiedet. Einstimmig wurden die jeweils über 21 Millionen Euro schweren Pakete auf den Weg gebracht – 13,5 Millionen davon allein für den Betrieb der 20 evangelischen Kitas. Auch mit der neuen Finanzsatzung hatte niemand der 60 Delegierten Probleme. Doch dann war da noch ein Thema mit dem sperrigen Titel „Zuweisungsrichtlinien des Kirchenkreises“. Und da knirschte es in der letzten Sitzung der sechsjährigen Legislaturperiode in der Hildesheimer Zwölf-Apostel-Gemeinde erheblich.

Die Zuweisungsrichtlinien regeln, wie der Kirchenkreis die Kirchensteuer-Mittel, die er von der Landeskirche bekommt an die einzelnen Gemeinden weitergibt. Dazu gehört auch die Frage, wieviel Geld eine Gemeinde für die Bewirtschaftung ihrer Kirche bekommt. Der Zuschuss ist abhängig von der Größe – eine Dorfkapelle verschlingt beispielsweise deutlich weniger Heizkosten als eine große Stadtkirche.

Eine Sonderregel war bisher der sogenannte „Kathedralzuschuss“: St. Michaelis und St. Andreas in Hildesheim bekamen rund 17.500 Euro im Jahr zusätzlich, weil sie wichtige Aushängeschilder sind, von vielen tausend Touristen besucht werden und ständig Zusatzveranstaltungen haben, die über den normalen Gemeindebetrieb hinausgehen. Dieser Kathedralzuschuss sollte nun gestrichen werden.

Für mich ist das der Anfang einer Neiddebatte“, beschwerte sich Michaelispastor Dirk Woltmann und mutmaßte, die Solidarität der Kirchengemeinden könne beschädigt werden. Unterstützung bekam er von Vertretern der Innenstadt-Gemeinden. Lamberti-Pastor Jürgen Loest warnte im Blick auf „übergroße Kirchen“ davor, „der nächsten Generation Baukosten zuzumuten, die kein Mensch mehr tragen kann“.

Klaus Neuser, Vorsitzender des Finanzausschusses, verwies darauf, dass mehrere Haushaltsposten aufgestockt worden seien, um den Verlust des Kathedralzuschusses auszugleichen. Die bisherigen Sondermittel würden gestrichen, weil es sich um Pauschalsummen handelte, die sich nicht durch konkrete Einnahme- und Ausgabezahlen erklärten. Auch Superintendent Mirko Peisert verteidigte die Änderung, weil man nun „unterschiedlichen Bedürfnissen besser gerecht werden“ könne. Peisert: „Die großen Kirchen sind uns viel Wert. Wir haben in diesem Jahr alle Ansätze erhöht.“

Einen zweiter Streitpunkt innerhalb der Zuweisungsrichtlinien stellten die „Fremdtrauungen“ dar. Das betrifft Paare, die nicht in ihrer Heimatgemeinde vor den Traualtar treten möchten, sondern in einer anderen Kirche. Zu den besonders begehrten Orten gehört etwa die Kirche St. Cosmas und Damian in Marienrode mit zuletzt 15 „Fremdtrauungen“ im Jahr. Teilweise haben Kirchengemeinden von den Hochzeitspaaren eine Kostenerstattung verlangt. Die Vorgaben der Landeskirche sehe solche Gebühren nicht vor. Der Kirchenkreis will statt dessen Ausgleichsbeträge an die Gemeinden überweisen. 

Das behagte nicht allen Delegierten. Bei Sonderwünschen der Paare gebe es oft erheblichen Mehraufwand, und da sei eine Entschädigung nur recht und billig – und es sei falsch, den Etat des Kirchenkreises damit zu belasten. 

Die gegensätzlichen Standpunkte konnten weder bei den Trauungen noch beim Kathedralzuschuss ausgeräumt werden. Am Ende gaben die Delegierten den Zuweisungsrichtlinien bei zehn Gegenstimmen und drei Enthaltungen grünes Licht.

Zum Abschluss legte Superintendent Mirko Peisert seinen Bericht vor. Die letzten zwei Jahre seien durch viele Personalwechsel geprägt gewesen, mit Ab- und Neuzugängen in Hildesheim, Harsum, Diekholzen, Bolzum-Wehmingen, Barnten, Groß Escherde und den Gemeinden rund um Algermissen. Zusätzlich wurde acht neue Kita-Leitungen eingestellt. Peisert: „Wir sind jünger geworden, wir sind weiblicher geworden.“

Zu den schwierigen Seiten des Jahres habe der Kampf mit den Folgen des 2017er Hochwassers gehört. Wirtschaftlich stehe das Diakonische Werk e.V. als Träger von Altenpflegeeinrichtungen derzeit vor Problemen, insbesondere beim Heim St. Elisabeth in Alfeld. „Als kirchlich-diakonischer Betreiber stationäre und ambulante Altenhilfe zu organisieren, bleibt unter den gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Niedersachsen ein Drahtseilakt“, betonte Peisert. 

Aber es gebe auch positive Nachrichten: Das Literaturhaus St. Jakobi und die evangelische Bildungsarbeit seien für die nächsten Jahre finanziell abgesichert. Ein spannendes Zukunftsprojekt sei die Pop Up-Kirche, die vom 27. November an leerstehende Ladenlokale in Hildesheim bespielen werde. Ralf Neite