"Beton kann keinen Geist bewahren"

Vor 50 Jahren wurde die Zwölf-Apostel-Kirche eingeweiht / Landesbischof Meister predigt beim Festgottesdienst

Hildesheim. 50 Jahre sind für eine Kirche eigentlich noch kein Alter. Und so versteht es sich, dass der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover nicht zu jedem "kleinen Geburtstag" einer Kirche kommt. "Zu 50-Jährigen fahren Sie nicht", habe es bei seinem Dienstantritt geheißen, berichtet Ralf Meister in der Zwölf-Apostel-Kirche am Godehardikamp. Trotzdem ist er am Sonntag zu diesem Jubiläum gekommen. Auf den Tag genau vor 50 Jahren wurde die Zwölf-Apostel-Kirche eingeweiht. 

Den Besuch des Landesbischofs hat die Gemeinde nicht zuletzt der besonderen Architektur ihrer Kirche zu verdanken. "Als Architekturinteressierter habe ich eine besondere Neigung zu Kirchen, die aus Sichtbeton gefertigt sind", erklärt Meister. Der Architekt Dieter Oesterlin gab der Kirche in den 60er Jahren ihr besonderes Aussehen. Außen wie innen ist der Werkstoff Beton sichtbar, durchbrochen von holzvertäfelten Decken und Wänden. Bodentiefe Fenster sorgen für einen hellen Altarraum, rechte Winkel findet man im Kirchenraum nur wenig.

Der damalige Landesbischof Hanns Lilje hatte die neu errichtete Kirche am 15. Oktober 1967 geweiht. Sie sollte der Zwölf-Apostel-Gemeinde ein Zuhause bieten. Kurz nach der Kirchweihe wurde die Gemeinde am 1. Januar 1968 aus der Christuskirchengemeinde ausgegründet. Junge Familien, die die damals neu gebauten Häuser der Umgebung bezogen, prägten die neue Gemeinde. 

Viele Mitglieder sind mit ihrer Kirche alt geworden. So ist der Festgottesdienst am vergangenen Sonntag für viele Besucherinnen und Besucher auch ein Tag der Erinnerungen. Besonders trifft das wahrscheinlich auf Dietrich Kunze zu. Er war der erste Pastor der Zwölf-Apostel-Gemeinde und erinnert sich noch gut an seinen ersten Gottesdienst in Moritzberg. Die Kirche war noch nicht fertiggestellt. Im Vorraum wurde mit Pappaltar und Klappstühlen seine Einführung gefeiert. Dann, zwei Tage vor dem Einweihungsgottesdienst, brannte es in der neuen Kirche. Nitroverdünnung, die auf dem Kirchenboden verteilt war, war entzündet worden. Trotzdem konnte die Einweihung zwei Tage später stattfinden.

Für Kunze begann nun die Herausforderung, aus der neuen Kirchengemeinde auch eine Gemeinschaft werden zu lassen. "Das war schon ein Unternehmen, die Menschen aus den alten und den neuen Siedlungen zusammenzubringen", erinnert er sich. Bei allen 80 KonfirmandInnen, die er damals betreute, machte der junge Pastor Hausbesuche, um die Familien mit der Kirche in Kontakt zu bringen.

Seit 2015 leitet Pastor Eberhard Blanke die Zwölf-Apostel-Gemeinde und erzählt nicht ohne Stolz von seiner besonderen Kirche. Bis zur Holzvertäfelung und den Sitzbänken sei noch alles im Originalzustand aus den 60er Jahren. Eine kleine Kapelle ist mit einer vollständig versenkbaren Wand vom Kirchenraum getrennt. "Die Kirche ist nicht nur ästhetisch, sondern auch funktional gebaut", findet Blanke.

Trotz aller Begeisterung für die Architektur, betonte Landesbischof Meister in seiner Predigt, bleibe eine Kirche doch nur eine Notwendigkeit, um den Gottesdiensten einen Ort zu geben. "Beton kann keinen Geist bewahren." Auch für Martin Luther seien Kirchengebäude nicht heilig gewesen. "Kirche war für Luther in erster Linie etwas Lebendiges, etwas das sich ereignet." Die Kirche sei vor allem ein Ort der Gemeinde, an dem viele prägende Erlebnisse wie Taufen, Trauungen und Beerdigungen stattfinden. "Sie als Gemeinde bauen diesen Raum. Nicht nur im wörtlichen, sondern im geistigen Sinne."

Bildunterschriften:
Meister: Landesbischof Ralf Meister erinnert in seiner Predigt daran, dass zu einer Kirche mehr als ein Gebäude gehört: "Sie als Gemeinde bauen diesen Raum."

Blanke_Kunze: Vor 50 Jahren war Dietrich Kunze (rechts) der erste Pastor der Zwölf-Apostel-Gemeinde. Beim Jubiläumsgottesdienst treffen er und seine Frau Gudrun Kunze-Cornelsen auf seinen Nachfolger Eberhard Blanke.