In fünf Minuten bei der Weltpolitik

Nachricht Hildesheim, 18. April 2015

Gottesdienstreihe „Samstag um 5“ in der Nordstadt und in Drispenstedt geht neue Wege

Hildesheim. Die Nordstadt ist ein besonderes Pflaster. Das gilt auch für die evangelische Kirche, die sich hier in einem Umfeld verschiedenster Kulturen bewegt. Darin liegt eine Chance, findet Jochen Grön, Pastor in der Martin-Luther-Gemeinde Nordstadt-Drispenstedt: „Es gibt in unserem Stadtteil vielleicht weniger Traditionen mit denen man brechen könnte.“ Unter solchen Bedingungen könne man leichter Experimente wagen. Eines davon startet an diesem Wochenende, die Gottesdienstreihe „Samstag um 5“.

In diesen Gottesdiensten will sich die Kirche von einer neuen Seite zeigen. „Wir werden drei Formate anbieten“, sagt Jochen Grön. Das werden meditative Andachten im Stil von Taizé sein, politisch geprägte Nachmittage und junge Gottesdienste. Allen gemeinsam ist der Verzicht auf klassische liturgische Teile, auch Predigten soll es nicht geben. Anschließend sind die BesucherInnen jeweils zu Getränken, Essen und Gesprächen eingeladen.

Am kommenden Samstag, 18. April, geht es um 17 Uhr in der Drispenstedter St.-Thomas-Kirche mit einer Taizé-Andacht los: Gemeinsam singen, schweigen und beten sind die Elemente dieser überkonfessionellen Zusammenkunft, die vier- bis fünfmal im Jahr gefeiert werden soll. Ein kleiner Chor, der sich extra dafür zusammengeschlossen hat, wird helfen, die mehrstimmigen Taizé-Lieder zum Klingen zu bringen.

Schon am 2. Mai geht es weiter, dann mit einem politischen Gottesdienst in der Martin-Luther-Kirche. „Wir wollen das bearbeiten, was im Stadtteil akut ist“, kündigt Pastor Hans-Christoph Hermes an und fügt gleich hinzu: „Allerdings ist das keine Eingrenzung, weil man in fünf Minuten sowieso bei der Weltpolitik ist.“ Menschen aus über 100 verschiedenen Herkunftsländern leben in der Nordstadt, auch die zentrale Unterkunft der Stadt Hildesheim für Asylbewerberinnen befindet sich hier. Die „kleinen“ Themen der Nordstadt sind somit immer eng mit „großen“ politischen Fragen verknüpft.

Die Reihe der politischen Gottesdienste wolle Menschen ins Gespräch bringen und verschiedensten Standpunkten ein Podium bieten, so Hans-Christoph Hermes. Unter anderem sollen PolitikerInnen interviewt werden, die eine Bindung zur Nordstadt haben. Da werde es um auch um kulturelle und religiöse Fragen gehen, sagt Hermes – etwa, wie es Familien gelingt, eine neue Heimat in Deutschland zu finden, und wie unterschiedlich dieser Prozess für junge und für alte Menschen aussieht. Am 2. Mai steht „Die Zukunft der Arbeit“ im Mittelpunkt, als Gast ist Regina Stolte vom Deutschen Gewerkschaftsbund dabei.

Das dritte Format, der „junge Gottesdienst“, läuft am 6. Juni in der Martin-Luther-Kirche an. Live-Musik – „keine Choräle, sondern Pop, Soul und neue christliche Musik“, so Grön –, Filmsequenzen, Anspiele, Interviews und Diskussionen im schnellen Wechsel werden diese 45-minütigen Gottesdienste prägen, die sich besonders an Jugendliche, aber auch an ältere Menschen wenden.

Die Idee zu „Samstag um 5“ ist den Aktiven in Martin-Luther und St. Thomas im Zuge eines Gemeindeentwicklungsprozesses gekommen: Gemeinsam mit Professor Bernd Heinz von der Uni Oldenburg überlegen Haupt- und Ehrenamtliche, welche Wege sie künftig in spirituellen Angeboten, in der Gemeinwesenarbeit, in Kinder- und Jugendarbeit, Ökumene und Baufragen beschreiten wollen.

Einerseits hätten viele Menschen in der Nordstadt eine geringere Bindung an die Kirche als in anderen Stadtteile, beschreibt Pastor Grön die Situation. „Gleichzeitig merken wir, dass wir als Kirche in der Nordstadt durchaus wahrgenommen werden.“ So sei das Gemeindehaus dabei, sich zu einem echten Stadtteiltreff für unterschiedlichste Gruppen zu entwickeln – „bis hin zum türkischen Hennafest“. Da werde nicht nach der Religionszugehörigkeit gefragt, erklärt Grön, „alle sind willkommen.“ Ralf Neite