„Es ist alles nur ein Spiel“
Intro
Die Weisheit spielt. Das würde man
bei Weisheit erstmal so nicht denken,
weil, weise sein heißt doch: man kann
der Welt an Ernst und Tiefe schenken,
woran es ihr so oft gebricht
an allen Ecken, allen Kanten.
An Albernheiten fehlt es nicht,
die sind im Übermaß vorhanden.
Man kann mit Witzen Geld verdienen.
Für jede noch so blöde Zote
finden sich gut bezahlte Bühnen
und irgendwer macht gute Quote.
Man macht aus „Heute“ eine Show.
Wir lachen wirklich jeden aus,
der ernst sein will und der, you know,
was anders sucht als den Applaus.
Die Weisheit spielt. Was soll das heißen?
Geht es um gar nichts Wahres mehr?
Will uns das Leben nur bescheißen,
ja, ist der liebe Gott ein Gör?
Die Weisheit spielt vor Gott. Aha.
Gibt’s denn jetzt Spielplätze da oben?
Sind Falleri und Fallera
die neue Art, den Herrn zu loben?
Die Weisheit hopst herum und lacht,
und Gott erfreut sich ihrer Sprünge,
dieweilen es auf Erden kracht,
als ob es bald zu Ende ginge.
Vielleicht erklärt das unsere Lage.
Die Weisheit hat uns aufgegeben.
Sie hat dort oben gute Tage
und wir dafür ein irres Leben.
Sie spielt vor Gott und seinen Engeln,
die dilektieren sich daran…
Hier ist der Sensenmann am Dengeln
und schaut die nächste Ernte an.
Man könnte fast in Trauer machen,
ja, Sack und Asche häuptens tragen.
Düsteres Menschheitserwachen.
Und reichlich Gründe zu verzagen:
Weil überall der Frohsinn weicht,
weil schlechtes Fernsehen uns verdummt,
weil Chlorgeflügel uns erreicht
und es im Rathaus immer brummt,
weil alle Welt ins Handy starrt,
wie Kinder wischen und nicht lesen,
weil Männer mit und ohne Bart
uns drohn, sie würden uns erlösen.
Ja, die Weisheit ist verschwunden,
nur ein paar Reste sind noch da,
doch die sind größtenteils gebunden,
so scheint es, in Amerika.
Die Welt, sie muß leider verblöden,
da wirft kein Gott mehr Hirn vom Himmel.
Das gabs zuletzt im Garten Eden,
bei Adam, diesem Obstbaulümmel.
Soweit die deutsche Sicht der Dinge
und ihr Verzagtheitsideal.
Die Welt ist schlecht. Der Herr der Ringe
obsiegt. So ist das nun einmal.
Wenn aber, dort im Himmelszelt,
Gott selbst das Ringelreihn goutiert,
warum, um alles in der Welt,
wird’s nicht auch irdisch zelebriert?
Wenn Weisheit spielt und Gott mags leiden,
warum die Dinge ernster nehmen
als er, warum die Lust vermeiden
und sich für lautes Lachen schämen?
Sehn wirs mal so. Die großen Fragen,
der schwere Ernst, der tiefe Sinn –
sind sie nicht auch die großen Plagen
bei allem Glück, allem Gewinn?
Sie sind das Wasser, nicht der Wein.
Sie treiben Zweifel ins Gefühl.
Sie sind, vielleicht, gar nicht das Sein.
Vielleicht ist alles nur ein Spiel?
Ein Spiel das alles. Frau und Mann:
ein rührend schönes Kammerstück.
Kirche, Politik und dann
die große Frage nach dem Glück.
Das alles ist nur Welttheater.
Oben im Himmel macht mans vor.
Der Regisseur ist unser Vater,
und seine Engel sind der Chor.
Schaun wir uns das konkreter an
in Hildesheim und anderswo,
die Vorhänge sind aufgetan
sehn wir die Dinge einmal so:
1. Spiel
Im Rathaus fehlt Herr Salm. Warum?
Er ist vor kurzem abgehauen.
Ihm war die Warterei zu dumm.
Er wollte endlich mal was bauen.
Denn dafür hatte er studiert
und sich auch fristgerecht beworben.
Das hat wohl keinen interessiert
und seine Ambition verdorben.
So blieb der Glatzenmann Phantom.
Er kam und ging, so wie ein Hauch.
Er baute weder Platz noch Dom.
Ihm stand wohl einer auf dem Schlauch.
Der steht da noch. Salm eins ist weg.
Zwei Monate ist das schon her.
Noch ist er leer, der Salmenfleck.
Vielleicht kommt ja gar keiner mehr.
Ein halbes Jahr war zu bestehen,
um Sach- und Fachkenntnis zu zeigen.
Doch irgendwas war nicht zu sehen,
statt eines Ja gab es ein Schweigen
d.h., Herr Salm wurde gebeten,
doch noch ein halbes Jahr zu bleiben,
um sich die Beine zu vertreten
oder was Lesbares zu schreiben.
Der Bürger rätselt, welche Lücken
wohl an das Licht gekommen sind.
Warn es vielleicht soziale Tücken,
ein streng geheimgehaltenes Kind,
warum trägt er den Namen Salm,
das klingt nach Fisch und nicht nach Stein,
es reimt sich auch auf Halm und Psalm,
kann das ein Städteplaner sein?
Vielleicht, auch das soll es ja geben,
hat man nur den Termin verpennt.
So manches schöne Glück im Leben
verglüht, weil keiner merkt, es brennt.
Oder. Die Stadt ist schon vollkommen.
Es gibt hier nichts mehr zu beplanen.
Die großen Häuser für die Frommen
sind fertig, an den Autobahnen
wird deutlich darauf hingewiesen,
der Rest ist Beiwerk, dit und dat.
Da braucht man keine Planungsriesen.
Da nimmt man einfach, was man hat.
Der Zuckerhut, das epochale
Fachwerkerzeugnis in der Ecke,
die alles andere als banale
Winnersche Wortskulptur als kecke
Geschenkidee an Stadt und Leute
nebst Arnekens halbleeren Flächen.
Das alles ist doch hier und heute
schon da. Was soll es uns gebrechen?
Der Bauhof soll die Straßen flicken.
Das Grünzeug wächst eh von allein.
Und jedes Stadtbild hat auch Lücken,
das wird in Ewigkeit so sein.
So schenkt das Dezernat für Bau
der Stadt ein schillerndes Gefühl.
Niemand weiß nichts so ganz genau,
nur dies: es ist ein Trauerspiel.
2. Spiel
Die Kreisumlage ist gestiegen.
Am Donnerstag ist das geschehen.
Der Landkreis will die Kohle kriegen,
auf die die Bürgermeister stehen.
Er wollte mehr, der rote Rainer,
viel mehr, doch Ingo wollte nicht,
und nicht nur er, es wollte keiner,
nur: wer sagt ihm das ins Gesicht?
Uns Ingo nahm die Gunst der Stunde
und warf den Handschuh in den Staub.
Der nahm das Blatt von seinem Munde
und formulierte: „Mit Verlaub,
mein lieber Rainer, deine Leute,
wirtschaften blind über den Rasen,
ihr seht uns an wie eine Beute,
die ihr zur Strecke bringt beim Blasen.
Wenn schon in Zeiten, wo die Steuern
wie Erdöl aus der Wüste quellen,
ihr euch benehmt wie Horst beim Feiern,
was werdet ihr mit uns anstellen,
wenns euch so geht wie uns seit Jahren,
mit knappem Hemd und leerer Hose,
mit Schulden, die mal lustig waren,
und mit sonst nix als Dom und Rose?
Ihr sitzt im Kreishaus hoch und trocken,
erpreßt Kommunen und Gemeinden
und wollt nun noch mein Rathaus rocken -
so macht man Nachbarn auch zu Feinden.
Ein bißchen Klüngeln und Verschieben
und Geld ausgeben übern Durst,
vom Sozialisten zu den Dieben
geht’s schnell, und ethisch ist das Wurst.
Ihr nehmt zuviel und gebt zu wenig.
Darunter stöhnt der ganze Kreis.
Ein Landei residiert als König,
und meine Stadt bezahlt den Preis.
So stellt sich Hans das Leben vor,
wenn er mal was zu sagen hat.
Zu ihm als Boss schaut man empor
und hört auf seinen guten Rat.
Ich als OB sag jedenfalls:
Für alle, die’s so mit uns meinen,
da gibt es einen an den Hals,
außer bei dir, du hast ja keinen.“
So ähnlich hörte sich das an
im Rathaus, beim Neujahrsemfang.
Ich war davon ganz angetan:
Allein der ungewohnte Klang
so zwischen Kumpelei und Drohung
bei Häppchen, Sekt und Küßchen, Küßchen
enthielt schon etwas wie Verrohung
der Umgangsformen. Ja, ein bißchen.
Inzwischen ist die Zeit vergangen.
Der Landkreis steht noch. Auch die Stadt.
Mit Peine hat was angefangen.
Wer weiß, was Rainer davon hat.
Man hat sich sicherlich vertragen
und männlich deutlich ausgetauscht.
Man kann sich ja nicht immer jagen,
wenn irgendwo die Linde rauscht.
Das war schon gute Unterhaltung.
Chapeau, ihr Männer, das war viel
mehr als sachpolitische Entfaltung:
das war einfach ein schönes Spiel.
3. Spiel
Ich frage mich in bangen Stunden,
was Gott im Himmel wohl so denkt,
wenn er die Menschheit durch die Runden
ihrer Geschichtsepochen lenkt.
Er hatte es ja gut gemeint,
auch alles Nötige geschaffen
an Leid und Lust, an Freund und Feind
für echte und für Menschenaffen,
hat vorgesorgt für Leib und Leben
und sich mit Hingabe gekümmert,
ein richtig guter Vater eben,
dems auch mal feucht im Auge schimmert.
Der schaut sich nun die Zeiten an,
das 21. Jahrhundert,
das schon so fürchterlich begann,
das einen es bis heute wundert.
Er sieht rund um den Erdenball
die halbe Menschheit sich zerdreschen.
Es kracht und splittert überall
wie bei einer Performance – Session.
Nur eben keine Kunst. Das Blut
wird hier nicht freiwillig vergossen.
Das findet selbst ein Gott nicht gut,
der sich sonst auskennt mit Geschossen.
Da beten plötzlich Spießgesellen
und lassen ihre Bärte wachsen,
behängen sich mit weiten, hellen
Gewändern bis zu ihren Haxen
und machen einen auf Prophet
nach einem halben Jahr Moschee.
Wie Religion tatsächlich geht,
was in den Schriften alles steht,
ja, wie der Wind des Geistes weht,
wenn wer sich rüstet zum Gebet,
das hat etwas von Odyssee
und bringt uns Tiefe, Lust und Weh.
So was ist keine Sauf – Tournee
mit fetten Bräuten nach dem Kater
im billigen Schmierentheater.
Ist das denn wirklich ernst zu nehmen,
dies bärtige Waffengeklirre
von Frankreich bis hinab zum Jemen?
Das macht doch jedes Großhirn kirre.
Da fallen wildgewordene Horden
im Namen ihres großen Gottes
über die Welt her, bomben, morden
als Rächer irgendeines Spottes
und wollen in die Steinzeit reisen
mit Handy und Kalaschnikow,
um so den Herrn der Welt zu preisen.
Das ist nicht fromm, nein, das ist doof.
Da sind sie wieder: Männerträume.
Halt richtig auf die Sahne hauen,
wir fällen Köpfe, Menschen, Bäume,
die andern können etwas bauen,
wir machen lieber was zu Schrott.
Das knallt so laut und ist schön schrill
fürs Internet und unsern Gott,
der so was eben haben will.
Die so das Menschsein untergraben
auf allerunterstem Niveau,
die müssen einen Vogel haben,
und manche heißen ja auch so.
Da lob ich mir doch meinen Herrn.
Bei ihm geht’s zwar nicht ganz so flott,
dafür hat er die Menschen gern,
selbst die Bekloppten, ja, mein Gott!
Und dann die andere Mischpoke
aus Leipzig, Dresden und Berlin,
politisch eine Karaoke
mit höchst verklemmten Hintersinn.
Die Pegidistentruppen sangen
inbrünstig unsere Weihnachtslieder.
Habt ihr gehört, wie sie erklangen?
Sie machten sie geradezu nieder.
Das Christkind als Protestmaskottchen,
das gegen Überfremdung wettert.
Was sagt man da? Man sagt: ach Gottchen,
wem ist denn da das Hirn zerdeppert?
Und dieses schwarz-rot-goldene Kreuz
für unsere superdeutschen Christen -
das ist was für Vergangenheits-
und schlichte Kreuzzugsfetischisten.
Die Stille Nacht senkt sich hernieder,
bedeckt die Armut dieses Geistes,
doch der kehrt immer, immer wieder,
wenn man’s nicht brauchen kann, so heißt es.
Gott hat sich das ja angehört
und sich gefragt, was die wohl meinen,
was die da unten bloß so stört,
wir sind doch alle nur die Seinen….
Was mir ganz unbegreiflich bleibt
bei diesem Veitstanz in den Straßen,
ist, was die Leute dazu treibt,
daß sie sich Bärte wachsen lassen.
Auf beiden Seiten. Immer Bärte.
Der Obersturmbannpegidist,
der war ja nun die Oberhärte,
und weil er so ein Pfundskerl ist,
wächst ihm ein Hitlerlippenbart.
Das ist verräterisch. Man fragt,
ob manches Haar von dieser Art
wohl in sein Nervenzentrum ragt.
Doch auch die jungen Kaftanträger
verfolgen diesen schlichten Stil
wie weiland schon die Steinzeitjäger:
es sprießt, was immer sprießen will,
als ginge es beim Haareschneiden
um Gottes und um Menschenehre.
Den Haarschnitt wie die Pest vermeiden,
entspricht wahrscheinlich einer Lehre,
wie einst bei Simson, diesem Schläger,
den Gott berief als großen Führer.
Begann als der Verheißungsträger
und war am Ende der Verlierer.
Man spotte nicht. Es ist das Haar
aus evolutionärer Sicht
nur noch ein Körperaccessoir
in Schwundgestalt, mehr ist es nicht.
An manchen Köpfen ist das schon
seit Jahren deutlich zu erkennen.
Es ist nur schwer, mit rechtem Ton
just dies als Tatbestand zu nennen.
Es hängt soviel an Männerehre
an diesen Feingeflecht aus Horn,
das ist vielleicht das wirklich Schwere
und nicht der religiöse Zorn.
Vielleicht sollte man all die Kerle
mal wirklich gründlich naßrasieren,
geschmeidig, glatt wie eine Perle,
ein ganz klein wenig parfümieren,
dann wär es aus mit Kriegsgeschrei,
mit Dolchen und mit Schießgewehr.
Hat einer erst Deo dabei,
gibt’s keine Männerspiele mehr.
4. Spiel
Der Dom steht nun, als wär er neu,
an seinem alten Platz und strahlt.
Das Bistum strömt gerührt herbei.
Alles ist hellgrau angemalt
und nüchtert mystisches Gefühl
mit sanfter Geste freundlich aus.
Nur das katholische Gestühl
erinnert an das Bischofshaus.
Man wundert sich als Protestant.
Erst meckern alle laut und bockig,
der Domhof sei nicht bei Verstand,
daß er Millionen locker, flockig
in diese eine Kirche haut.
Doch kaum erklingt die erste Bimmel,
kaum ist der letzte Stein verbaut,
erscheint katholisches Gewimmel
von nah und fern und West und Ost
und freut sich beide Ohren ab.
Kein Mensch erinnert, wie erbost
er einst sein Wort zum Besten gab.
Ich freu mich mit Euch, echt, von Herzen.
Wenn alles neu ist, kann man gut
die Unerhörtheiten verschmerzen,
weil man sie ja nicht sehen tut.
Das rote Licht, für Evangelen
das eigentliche Römerzeichen,
das mußte sich von dannen stehlen
und in ein Sakramentshaus weichen.
Da wartet es auf fromme Seelen,
die es nach langem Suchen finden.
Ist ja auch gut, ein bißchen Quälen
paßt schließlich gut zu Buß und Sünden.
Selbst die Madonna schaut nun scheu
auf ihre Gläubigen herunter;
man kommt nicht mehr so nah dabei
und steht statt vor eher darunter,
Maria ist so luftig, leicht,
hat wenig Erde an den Füßen,
auf der ja unsereiner schleicht,
in die wir alle wieder müssen,
sie fährt ein bißchen in schon zum Himmel
und läßt uns frisch saniert zurück
im Jubiläumsfestgetümmel
bei Rosenstock und Sektfrühstück.
So richtig inbrünstig, devot,
wie ich die Katholiken mag,
wird’s da erst nach dem Abendrot,
zuwenig Dunkel hier, viel Tag.
Er ist fast lutherisch geworden,
der sündhaft teure, schöne Dom.
Das freut uns Christen hier im Norden.
Nicht billig, aber auch nicht Rom.
Vielleicht ist das der Grund, warum
der Bischof nun gegangen ist.
Er zog ja unlängst schon mal um
deutlich vor Pensionierungsfrist.
Nun ist die Kathedra verwaist.
Die ganzen Domkapitulare
und wie der Klerus sonst so heißt,
sind diesbezüglich zweite Ware,
denn einfach nach dem Protokoll
ist ja ein Bischof unersetzlich,
wenn er den Laden führen soll.
Doch manches ändert sich halt plötzlich.
Dann kommt der Bischof früh am Morgen
mit Butterbrot und Arbeitsmappe,
um seine Sachen zu besorgen,
und feierabends fällt die Klappe.
Dann geht er wieder wie Heinz Meier
nach Hause, in sein Wohngelaß,
macht sich noch ein paar Spiegeleier.
Ja, Leute, so normal ist das.
Man ist auch nur ein Mensch, im Kern.
Der Rest ist viel Theaterspiel,
macht man zwar immer wieder gern,
doch selbst dabei gibt’s ein zuviel.
Dann hat so eine kleine Wohnung
ganz ohne Pomp und Gloria
den Wohlgeschmack einer Belohnung.
Und: kein Tebartz – van Elst - Trara.
Die andern wohnen ja noch dort,
bevölkern ihren neuen Platz
und fahren dienstverpflichtet fort,
und hüten ihren Kirchenschatz.
Apropos Bischof. Dieser Tage
kommt ja die ganze Weihetruppe
mit bischöflicher Entourage
als geistliche Besuchergruppe
und sucht all unsere Kneipen heim -
Katholen können ja gut feiern –
und wollen dann den Leuten beim
Schnaps oder Bier die Seele steuern.
Ich werde hingehn und mich sonnen
im Licht der Weisheit jener Welt
und hoffe, daß von diesen Wonnen
auch was auf St. Andreas fällt.
5. Spiel
Jetzt sind die Evangelen dran.
Auch hier gibt’s neuerdings genug,
worüber man sich wundern kann.
Man wird ja nur aus Unsinn klug.
Herr Latzel, Pastor, kommt aus Bremen.
Nun, das kann jedem mal passieren.
Deswegen muß sich keiner schämen
oder versuchen, zu kaschieren.
Doch Bremen hat, das weiß kaum jemand,
das schrägste Kirchentum entwickelt,
das je in diesem Lande stattfand.
Es hat den Bischofsstuhl zerstückelt,
und jeder Christenhaufen ist
ganz unregiert und unabhängig
und definiert: wer ist ein Christ
und religiös geländegängig.
Da kann sich jeder Bremer suchen,
was er an geistlichem Geschmack
bevorzugt und die Predigt buchen,
die ihm gefällt nebst Sack und Pack.
Deswegen ist der Bremer Glaube
schon immer etwas kurios.
Die EKD und ihre Haube
sind schlicht und einfach einflußlos.
Herr Latzel hat es nun geschafft,
mit drei, vier Worten oder Sätzen
die ganze Welt in Saft und Kraft
empört gegen sich aufzuhetzen.
Man sagt halt nicht, Buddha sei fett.
So was gehört sich heute nicht.
Zu Moslems ist man lieb und nett,
man bleibt beim freundlichen Gesicht,
auch wenn man ganz was anders denkt.
Das ist moderne Toleranz,
von Freundlichkeiten eingezwängt
so wie beim feigen Hund der Schwanz.
Davon ist Latzel nicht gepeinigt.
Der sagt, was in den Schriften steht:
Wer dummes Zeug macht, wird gesteinigt
oder das Hirn zurechtgedreht.
Die Wahrheit darf niemand verbiegen,
nur weil die andern anders glauben.
Der Glaube wird vielmehr verfliegen,
läßt man sich seinen Standpunkt rauben.
Man braucht ein festes Fundament,
damit man glaubhaft leben kann,
und, Himmelherrgottsakrament,
da hat er einfach recht, der Mann.
Das ist das Blöde heutzutage,
man ruft nach Antworten fürs Leben,
erkennt die Vielfalt längst als Plage,
doch werden Antworten gegeben,
dann sagt die ganze Welt: so nicht!
Zu einseitig. Intolerant!
Bei Latzel droht man mit Gericht,
obwohl das in der Bibel stand.
Was solln wir Kirchenfritzen sagen?
Wenn jemand auf die Sahne haut,
beschwert man sich und droht mit Klagen,
man hätte die Kultur versaut,
wär vielleicht Fundamentalist,
was für den deutschen Durchschnittsbürger
so etwas wie die Mischung ist
aus Dummbatz, Horst und Mädchenwürger.
Bleibt man im Urteil abgewogen,
argumentierend, rational,
dann sind wir kopfmäßig verbogen,
spirituell leer und banal.
Predigt man feurig und entschlossen,
weil es doch um das Letzte geht,
wird Spott über uns ausgegossen,
weil das ja keiner mehr versteht.
Wir sollen Orientierung geben.
Für Werte einstehn. Und für Sinn.
Die Seele schützen und erheben,
sie menschlich machen und erziehn.
Doch das geht nur mit einem Glauben.
Und das geht nur mit Ja und Nein.
Es gibt auch Geier, nicht nur Tauben,
und man kann immer beides sein.
Die Weisheit hört Herrn Latzel zu
und sagt sich: zu dick aufgetragen.
Ach, lieber Mensch, was weißt denn du,
ich will euch jetzt einmal was sagen:
Ihr macht die Sache kompliziert,
bei euch geht’s immer ins Gewühl.
Für Gott, den ihr im Munde führt,
ist alles nur ein Kinderspiel.
6. Spiel
In Griechenland stand einst die Wiege
des Abendlandes. Unser Denken,
die ganze Philosophenriege,
durch die wir unser Denken lenken,
entstand auf der Akropolis.
Der Mensch als Wissen und Geschick.
Wo früher Kunst auf Weisheit stieß,
gibt’s jetzt: Kasinopolitik.
Es wird gezockt, geblufft, geschummelt,
daß sich Europas Balken biegen,
es wird gelinkt, gebrüllt, gefummelt,
um Wahlversprechen durchzukriegen.
Das ist ein Volkstheaterspiel.
Die jungen Wilden aus dem Süden
verstehen zwar nicht allzu viel
vom Leitwolf und den anderen Rüden,
erscheinen keck und unmanierlich
in den Palästen und Kanzleien
und sagen, da sei ganz natürlich
für die, die keine Knechte seien,
und raufen sich durch das Gelände
als gings um Räuber und Gendarm,
besetzt die Medien ohne Ende
und setzt auf Haarwuchs, Stolz und Charme.
Vor allem dieser kleine Beau,
der Varoufakis heißt, verfügt
über erotisches Niveau,
das deutlich überm Mittel liegt.
Marietta Slomka, ja, selbst die,
bescheinigte ihm Charisma,
gewisses Etwas und Esprit.
Wenn die das sagt, dann stimmt es ja.
Ihr Damen, stimmt das, frag ich euch?
Ist das die Politik von morgen?
Wenn ja, Ihr Lieben, sag ich gleich,
dann mache ich mir wirklich Sorgen
ums Abendland, Europas Erben.
Wenn schon die Nachrichtenikone
auf sowas abfährt, wie bewerben
wir uns als wertbestimmte Zone,
als Heimstatt der Demokratie,
Gewaltenteilung und Kultur,
wenns doch zutiefst darum geht, wie
man Eindruck schindet, beau de jours!
Und auch sein ungestümer Boß,
der sich grad seine Beulen holt,
gleich ahnungs- wie krawattenlos,
sei auch als Mann nicht unbesohlt,
sagt man. Ich will das nicht beschwören.
Bei den Olympiern war es immer
ein bißchen wie im Kirchenchor:
je zucht- und kunstvoller, je schlimmer.
Ja, die Olympier, die alten,
die Schwerenöter der Antike,
die konnten niemals an sich halten,
ob Leidenschaft, ob List und Tücke.
Wer hätte es vor ein paar Jahren
gedacht, daß wir so ein Geschacher
als ernst und als riskant erfahren
im weiß und blau der Wittelsbacher.
Vermutlich spielen die das nur.
Es fühlt sich sehr olympisch an.
Nackte Gymnastik, Wettkampf pur.
Weh dem, der nicht verlieren kann.
Epilog
Die Weisheit spielt vor Gott. Und Gott?
Spielt er bei diesen Spielen mit?
Sieht er das Leben und den Tod
in unserem irdischen Beritt,
so wie es ist, auch lustig an?
Man könnte durchaus zynisch werden.
Das Dasein nur als Achterbahn,
so wie Himmel auch auf Erden.
Ja, was macht er, der Weltenlenker?
Ist er ganz köstlich amüsiert
über die Clowns, Soldaten, Henker,
und wer sich immer präsentiert?
Manch einer denkt, er wär verstorben.
Er wäre nicht mehr mitgekommen.
Ihm wär die Lust einfach verdorben.
Oder er schämte sich beklommen.
Mag sein. Es kann ja niemand wissen.
Die Bibel sagt, wir seien quitt,
der Vorhang sei kaputtgerissen,
und seitdem macht Er alles mit.
Wir können letztlich nichts verspielen,
das heißt es doch in großem Rahmen.
Ist das ein Grund, sich gut zu fühlen,
trotz und in allem? Ja. Und: Amen.