Nicht Belastung, sondern Herausforderung

Nachricht Hildesheim, 25. Februar 2015
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Sie arbeiten zusammen, um Flüchtlinge in Hildesheim zu integrieren: Jürgen Blume, Dr. Alexey Ponomarev, Uwe Wedekind, Magdalene Martensen, Christiane Aßmann und Andreas Handzik. Foto: Möller

Küchengespräch in der Evangelischen Familienbildungsstätte zur Flüchtlingsarbeit in Hildesheim

Hildesheim. Der Duft von Gebäck weist den Weg in die Küche der Evangelischen Familienbildungsstätte im Zwölf-Apostel-Weg. Magdalene Martensen begrüßt die Gäste mit Bananenmuffins und Getränken. Die Leiterin der Bildungsstätte hat zum „Küchengespräch“ erneut eingeladen, Thema sind diesmal die Flüchtlinge in Hildesheim. Die Küchengespräche finden dreimal im Jahr statt. Denn, so Mgdalene Martensen: „In der Küche sind die Gespräche doch immer am besten.“

„Angekommen - und wie geht's weiter?“ ist der Abend überschrieben. Fünf Fachleute geben Einblicke in die Flüchtlingsarbeit. Der Titel zeigt: Wer aus seinem Heimatland flüchtet, und ankommt in einer Stadt, weiß noch lange nicht, wie es weitergeht. Es ist komplizierter. Wer in Deutschland Asyl beantragt, wird nach einem Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Diese leiten die Menschen weiter in die Kommunen. Je größer die Kommune, desto mehr Flüchtlinge werden ihr zugewiesen. In Hildesheim bekommen derzeit 479 Asylsuchende Leistungen von der Stadt.

Uwe Wedekind, Geschäftsführer vom Flüchtlingsverein Asyl e.V., betreut seit über 20 Jahren Flüchtlinge. Er sagt, die Chancen, in Deutschland bleiben zu dürfen, seien für die meisten sehr gering. Viele müsse er darauf vorbereiten, dass sie wieder in ihr Heimatland zurückkehren. Nur: „Diese Menschen hatten massive Gründe, ihr Land zu verlassen. Sie haben sich mit einem Rückkehrgedanken nicht auseinandergesetzt.“

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Koch Matthias Fugger versorgte die Gäste mit leckeren Bananenmuffins. Foto: Möller

Alle, die den Weg nach Hildesheim finden, landen als Akte auf dem Schreibtisch von Jürgen Blume und seinem Team. Blume ist zuständig für die Unterbringung der Flüchtlinge. Diese wohnen zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft. Nach etwa sechs Monaten ziehen sie in dezentrale Wohnungen, die die Stadt anmietet. „Integration kann nur stattfinden, wenn die Menschen auf die Stadt verteilt werden“, sagt Blume. Er arbeitet eng zusammen mit Alexey Ponomarev von der VHS, die Sprachkurse anbietet für Flüchtlinge. Die Frage der Finanzierung ist eine Herausforderung. In den ersten 15 Monaten in Deutschland haben Asylsuchende keinen Anspruch auf staatliche Sprachförderung.

Beim Integrationsprozess hilft auch das Engagement der Kirche. Christiane Aßmann eröffnet mit einem ökumenischen Unterstützerinnenkreis einen Gruppenraum für offene Angebote und Treffen im Flüchtlingsheim. Am 18. März soll es losgehen.

Spenden für Flüchtlinge kommen meist in der Pfarrgemeinde Guter Hirt an. „Wir mussten extra vier Seecontainer anmieten, um die Spenden verstauen zu können“, sagt Diakon Andreas Handzik. Seine Gemeinde verteilt auch Lebensmittel an Bedürftige. Vor zwei Jahren lag die Zahl der Lebensmittelausweise bei 480. Im Januar dieses Jahres schon bei 1050. „Die Bedürftigen werden immer mehr“, sagt Handzik. „Wir brauchen Lebensmittel.“ Fast ebenso dringend benötigt werden Kinderwagen und Koffer, weil der Weg der Flüchtlinge in der Erstunterkunft erst anfängt.

Obwohl es keine zentrale Stelle gibt, die Flüchtlinge in Hildesheim betreut, arbeiten die Akteure zusammen. Sie vernetzen sich, um einen menschlichen Umgang zu gewährleisten. Dabei sind sie auf die Hilfe von Ehrenamtlichen angewiesen. Wer helfen möchte, solle sich unbedingt melden, so der Tenor des informativen Abends. Jürgen Blume fasst zusammen: „Wir sehen diese Menschen nicht als Belastung, sondern als Herausforderung, der wir uns gerne stellen.“ Christoph Möller