Und die Gefahren?
Es gibt zwei grundsätzliche Problemsituationen, die wir haben. Die Eine: Durch diese bedeutsame Qualität von Hildesheim, als Stadt, muss man immer darauf achten, dass Sarstedt und Sarstedt-Land nicht abgehängt sind – sowohl im kirchenkreispolitischen Bereich als auch in der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeitsarbeit, durch pastorale Arbeit und durch gezielte Maßnahmen zur Stärkung und Flankierung der Arbeit in diesen Gemeinden. Sonst ergeben sich Reibereien innerhalb des Kirchenkreistags. Das ist, so weit ich das sehe, in diesen Jahren nicht wirklich virulent gewesen. Aber es ist etwas, worauf man immer achten muss. Die andere Gefährdung ist, was die ländliche Region angeht, die große Not, dort funktionstüchtige kirchliche Strukturen zu bauen. In der Stadt ist es viel einfacher, da kann man leichter zusammenlegen und da kann man auch schnell mal eine andere Funktion dafür übernehmen. In den ländlichen Region – und das haben meine Kollegen Castel und Henking im Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld quasi in Reinkultur, in viel größerer Form – müssen wir zufrieden stellende soziale Arrangements schaffen, in denen sich Kirche überzeugend artikuliert und in denen Glaube nicht nur Traditionsabwicklung ist, sondern etwas, mit dem zu verbinden sich lohnt und was dem menschlichen Herzen auch dient. Das ist schwer, und ich gucke das auch mit angehaltenem Atem an.
Wie beurteilen Sie die Verknüpfung mit dem Nachbar-Kirchenkreis in einem Verband? War die Zusammenführung ein sinnvoller Schritt? Beziehungsweise: Was ist einfacher, was komplizierter geworden?
Der Verband ist ja eine Größe, die dadurch entstanden ist, dass das Landeskirchenamt die beiden Verwaltungen zusammengezogen hat. Wir haben dem dann körperschaftlich die Form eines Verbands geben. Dahinter steckte eine strategische Überlegung. Was wir mit großer Münze haben bezahlen müssen, waren die dahinter stehenden Abstimmungs-, Arrondierungs- und Verständigungsprozesse, wie diese beiden Kirchenkreise in ihrer verwaltungsmäßigen Abbildung zusammenkommen. Das war viel schwerer als gedacht und ist bis zur Stunde auch noch nicht ausgestanden. Man merkt das an solchen Dingen wie dem Gebäudemanagement oder wenn wir über IT-Probleme nachdenken. Und es ist auch kein Wunder. Wir sind eben tendenziell ein eher städtisch geprägter Kirchenkreis, der andere ist ein mit sehr zersiedelten Strukturen ausgestatteter Kirchenkreis. Da tickt das kirchliche und öffentliche Leben anders. Wir haben das oft diskutiert. Das jetzt von einer Verwaltung in gleichen Formaten abzubilden, ist eben auch kein Kinderspiel.
Und in der inhaltlichen Zusammenarbeit – sind Sie da nicht mit höheren Erwartungen gestartet?
Das ist nach meiner Wahrnehmung differenziert. Was wir schnell in Gang gebracht haben und was unterm Strich auch gut funktioniert, ist die Geschichte mit der Diakonie, die ja in der Trägerschaft des Verbandes ist. Ebenfalls ein hervorragendes Ding ist die Kindertagesstätten-Trägerschaft auf Kirchenkreisebene, die ganz parallel organisiert ist und innerhalb des Verbandes zwei ganz analoge Säulen bildet. Da gab und gibt es immer wieder mal Abstimmungsbedarf, aber die Evaluation zeigt: Es funktioniert. Es funktioniert richtig gut. Unsere Überlegung hingegen, die Jugendarbeit zusammenzulegen: Das hat nicht funktioniert. Das hat mit territorialen Gesichtspunkten zu tun – es ist einfach eine Riesenfläche. Außerdem hat es mit Schwerpunkten zu tun und mit handelnden Personen. Dasselbe gilt sicher auch für die Sups, die jeder für sich über mangelnde Arbeit nicht klagen müssen. Ein gemeinsames Tätigkeitsfeld zu definieren und dann in Gang zu setzen, ist echt aufwändig. Und wir hatten alle Hände voll zu tun, das Schiffchen überhaupt erstmal auf den Ozean zu bringen. Wenn jetzt noch ein paar Jahre ins Land gehen, kann ich mir vorstellen, dass auch noch ein paar weitere gemeinsame Arbeitsfelder hinzukommen.
Es ist jedenfalls nicht exzessiv betrieben worden nach dem Motto: Wir gucken mal, wo wir noch überall koopieren können!
Das stimmt. Aber es ist, glaube ich, mit dem jeweils hohen Eigen-Spin der beteiligten Typen zu erklären.
Was werden Sie besonders vermissen, wenn Sie nicht mehr Hildesheimer Superintendent sind?
Ich kann es noch nicht ganz genau sagen, weil ich ja hier wohnen bleibe und manche der Bezüge zwar umformatiert werden, aber in der Substanz erhalten bleiben. Ein paar Dinge kann ich aber gleichwohl schon sagen. Was ich vermissen werde, ist diese Freiheit als Sup, seine Schwerpunkte so zu setzen, wie man möchte. Was mir sicherlich auch fehlen wird, sind große Aufzüge, wo man Kirche, Glauben, Religion feiern kann als ein Ereignis, als eine berührende Kraft – als Mysterium, das Menschen berührt. Das ist in so einem Kirchenamt schwer. Und ich werde die Nähe zur Michaeliskirche vermissen: dass ich mal eben rüber gehen konnte, um zu beten, um Stille zu haben und mich einfach an den Schönheiten diesen Kirchenbaus zu delektieren. Und auch die Möglichkeit, mich einfach mal nachts hineinsetzen zu können und mit dem lieben Gott Zwiesprache zu halten. Das kann man zwar auch im Wald, im Garten oder auf dem Klo, das weiß ich auch, aber nee: Das ist dann doch etwas Besonderes. Und diese wirklich tolle Mitarbeiterschaft im Kirchenkreis. Mit allen habe ich Geschichten, zum Teil lange Geschichten und auch viele schöne Geschichten. Das Netz, das sich über Jahre aufgebaut hat, das werde ich vermissen. Und in der Erinnerung pflegen, wie ein Kleinod. Ich bin echt dankbar, sagen zu können: Ich nehme das als schöne Zeit mit. Bei allem Quatsch, den man da zwischenzeitlich auch hatte. Aber in der Summe fällt das überhaupt nicht ins Gewicht.
Ich möchte noch mal auf die großen Aufzüge zurückkommen. Viele Reaktionen auf ihren Wechsel waren ja: Mensch, der Aßmann stand doch so gerne auf der Bühne und im Rampenlicht. Wieso geht der jetzt ins Landeskirchenamt?
Ich habe ja schon einmal in einem Kirchenamt gearbeitet, das ist mir durchaus vertraut. Ich gehe da jetzt wieder hin, einmal um der Sache willen. Diese theologische Aus-, Fort- und Weiterbildung des Pfarrpersonals liegt mir wirklich am Herzen. Warum ich diese Bühne und diese großen Aufzüge verlasse: Gerade, weil ich das so liebe – um nachzuweisen, dass ich nicht daran hänge. Es klingt vielleicht ein bisschen fromm verstiegen, aber das ist ein Wort von meinem alten Seelsorger. Der hat mir als junger Mann gesagt: „Weise nach, dass Du an den Dingen nicht hängst.“ Gerade bei diesen großen Aufzügen vermischen sich Talent, Eitelkeit, Vollmacht und gute Gelegenheit ganz undurchdringlich. Und jetzt ist etwas in mir, das mir sagt: Häng Dein Herz nicht daran. Äußerlich gab es ja keinen Grund. Warum hätte ich gehen sollen?
Das weiß ich auch nicht. Möchten Sie abschließend noch etwas loswerden, wonach ich nicht gefragt habe?
Eines vielleicht. Ich glaube ja, dass die Kirche, ob nun die evangelische oder die katholische, gut beraten ist, von ihrem Proprium her zu denken, also von ihrem Auftrag her. Und nicht so sehr daher, wie man verlorenes Terrain wieder gewinnt. Die Leute merken das, und es ist nicht in Ordnung. Allein schon, wenn man so anfängt zu reden, spüren die anderen: Da greift ein Arm nach mir, der will mich wieder einsacken. Dieses Verhalten sollten wir abstreifen und in komplizierten Situationen lieber gelegentlich sagen: Tut mir leid, da weiß ich jetzt auch keine Antwort drauf, aber vielen Dank für den Impuls. Der Kirche geht es im Kern nicht um Bestandserhaltung, sondern ein Plädoyer für Vertrauen auf Gott. Um in ein Gespräch zu kommen, das darauf baut: In allem, was ist, redet jemand zu uns, auch in dem, was wir nicht verstehen, was uns zuwider ist oder was daneben geht. Wenn man darauf vertraut, geht es auch weiter. Wenn man nur denkt: Oh, ich habe verloren, das nächste Mal muss ich gewinnen – dann wird man Sophist. Da sehe ich zur Zeit die Grundversuchung unserer Kirche: Absicherung der Bestände. Wichtiger ist vielmehr: die Bedeutung des Glaubens vertiefen und vorleben. Die Austrittszahlen beschäftigen mich deswegen auch inhaltlich nicht so intensiv, weil sie nur markieren, dass hier etwas anderes vonstatten geht, als dass wir eine schlechte Performance liefern. Das ist gar nicht so. Wir machen das hier ziemlich gut, finde ich.