Erste Weihnacht im Flüchtlingsheim

Nachricht Hildesheim, 15. Dezember 2015
chor

Itzumer Kinder- und Jugendchor singt aktuelles Mini-Musical für Familien aus Afrika und dem Nahen Osten

Hildesheim. Ein hibbeliges Stimmgewirr erfüllt die zweite Etage im Flüchtlingsheim. Kinder und Jugendliche wuseln durcheinander. Mit einem Mal verschafft sich eine laute, aufgeregte Stimme Gehör: „Wer hat die Puppe? Die war eben noch in der Kiste!“ Erschrockenes Schweigen. Es hat doch wohl nicht einer das Jesuskind entführt? Doch keine Sorge, die Puppe lag da, wo auch die Kinder am liebsten sind: hinten am Schlagzeug.

„Suleilas erste Weihnacht“, das Mini-Musical der Nachwuchschöre aus der evangelischen Katharina-von-Bora-Gemeinde, braucht also nicht auf sein wichtigstes Requisit zu verzichten. Das wäre auch schade gewesen, ausgerechnet heute: 73 Kinder und Jugendliche plus Band sind aus Itzum zu einer Sondervorstellung ins Flüchtlingsheim gekommen. Auf Einladung der Initiative Flux, die Menschen mit Fluchterfahrungen unterstützt, spielen sie ihre musikalische Version der Weihnachtsgeschichte vor Menschen, die aus ganz anderen Kulturkreisen kommen. Vor Kindern und Erwachsenen aus dem Nahen Osten und aus Afrika, die kaum Deutsch sprechen. Und für die „Weihnachten“ noch sehr fremd ist.

Flux hatte die Chor- und EnsembleleiterInnen der Hildesheimer Gemeinden angeschrieben, ob sie einmal pro Woche musikalische Projekte im Flüchtlingsheim anbieten würden. Viele sagten ja. Jeden Donnerstag gibt es nun Kinderchor, Theater, Percussion oder Posaunenunterricht. Eine der ChorleiterInnen, die sich ehrenamtlich engagieren, ist Swantje Krischke, die den Kinder- und Jugendchor der Katharina-von-Bora-Gemeinde betreut. Sie bot an, mit „Suleila“, dem aktuellen Itzumer Musicalprojekt, in die Nordstadt zu kommen. „Da haben wir uns gedacht: Klasse, das können wir gleich mit unserer Weihnachtsfeier verbinden“, sagt Anika Arnold von Flux.

Das Stück passt bestens in den Kontext: Es erzählt von einem Mädchen aus Syrien, dem ihre deutschen Freunde und ein Obdachloser erklären, was es mit Weihnachten auf sich hat – eine moderne Fassung der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium, gespickt mit eingängigen Liedern, die die Chöre klangschön und mit beeindruckender Sicherheit singen.

Dabei sind die Voraussetzungen etwas ungewohnt an diesem Nachmittag: Die Sprachbarriere führt zu einiger Unruhe im Publikum, manche ZuschauerInnen verlassen den Raum nach einer Weile auch wieder. Doch viele bleiben bis zum Schluss, Neugierde und Staunen spiegeln sich in den Gesichtern. Die Kinder aus den Flüchtlingsfamilien fasziniert neben der Musik vor allem der große graue Hund des obdachlosen Erzählers – eine Mischung aus Königspudel, Labrador und Golden Retriever. Einige trauen sich ganz heran und streicheln den Double Doodle sogar. Und dann ist da natürlich die Puppe, das Jesuskind: Jetzt hält es ein paar Kinder nicht mehr auf ihren Plätzen, sie müssen ganz nah heran, mitten zwischen die Sängerinnen und Sänger, und mit an der Krippe stehen.

Nach dem letzten Lied ist der Applaus groß. Die Flux-Vorsitzende Marietta Tebben-Johanns lädt alle zum Adventskaffee ein. Doch für die Kinder aus dem Publikum ist jetzt etwas anderes wichtiger als die Aussicht auf Kekse: Sie gehen zum Schlagzeug, um den Drummer zu überreden, es auch einmal versuchen zu dürfen. Der lässt sich natürlich nicht lumpen. Erst recht nicht so kurz vor Weihnachten. Ralf Neite

Bilder:

Klangschön und mit beeindruckender Sicherheit sang der Chor unter der Leitung von Swantje Krischke. Fotos: Neite

Trotz Sprachbarriere bleiben viele ZuschauerInnen bis zum Schluss und applaudieren nach jedem Stück.

Unter einer Brücke treffen Suleila und ihre FreundInnen einen Obdachlosen mit seinem Hund. Von links: Martin Bargfeldt, Alea Lang, Mathis Braun, Mara Tumbrägel und der Double Doodle Sammy.

Die Flux-Vorsitzende Marietta Tebben-Johanns und Chorleiterin Swantje Krischke begrüßen das Publikum im Flüchtlingsheim.