Im Fahren aufgesprungen

Nachricht Hildesheim, 24. November 2017

Mirko Peisert über die Herausforderungen seines ersten Jahres als Superintendent in Hildesheim

Vor einem Jahr hat Mirko Peisert seine Arbeit als Superintendent des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt aufgenommen. Im Interview berichtet der 44-Jährige, wie er in Hildesheim angekommen ist, welche Aufgaben gleich zu Beginn zu bewältigen waren – und wie es nun weitergehen soll.

Sind Sie inzwischen vollständig angekommen, Herr Peisert?

Ob vollständig, weiß ich nicht. Aber doch, ich würde sagen: Ich bin hier in Hildesheim und im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt gut angekommen und habe auch schon sehr viele Menschen kennen gelernt.

Was gefällt Ihnen bisher am besten?

Oh, das ist gar nicht so einfach. Vielleicht ist es die Mischung, die mir besonders gut gefällt. Unser Kirchenkreis, der ist großstädtisch und zugleich ländlich. Es ist ein Kirchenkreis mit ganz modernen Kirchen und auch den großen, alten Kirchen. Mit jungen Gemeinden und Gemeinden mit langer Tradition. Und ich bin begeistert wie kreativ dieser Kirchenkreis ist, es gibt hier so viele Menschen, die tolle, aber auch ganz unterschiedliche Ideen haben.

Was waren die größten Herausforderungen?

Die erste: Ich hatte mir vorgenommen, möglichst schon in den ersten Wochen alle Hauptamtlichen und möglichst viele Gottesdienste in den Kirchen des Kirchenkreises zu besuchen – und auch die Kitas des Kirchenkreises. Das war ein Marathon, der sehr anstrengend war, aber auch viel Spaß gemacht habe. Die zweite Herausforderung: So ein Kirchenkreis ist ja ein großer Betrieb. Wie ein fahrender Zug, der nicht anhält für mich. Ich bin im Fahren aufgesprungen, in die laufenden Prozesse hinein und musste mich dort schnell einarbeiten. Aber ich glaube, mittlerweile ist es gelungen, dass ich mitsteuere und nicht mehr nur zugucke.

Gab es Probleme, mit denen sie nicht gerechnet hatten?

Ja, es gibt ungeheuer viel Bewegung. Pastoren verlassen den Kirchenkreis, Pastorinnen kommen, Kita-Leitungen werden verabschiedet, neue kommen. Das hätte ich so nicht gedacht. Diese Neuanfänge und Abschiede zu gestalten, das ist eine Herausforderung.

Sie mussten auch ihre Stellvertreterin Andrea Burgk-Lempart verabschieden, die nun als Superintendentin in Celle eingeführt worden ist. Wer übernimmt die Nachfolge?

Ganz frisch wurde Pastorin Christiane Schiwek aus Sarstedt als neue stellvertretende Superintendentin gewählt.

Darüber hinaus gab es große Themen wie die Zukunft des Literaturhauses St. Jakobi, das auf der Kippe stand und gerettet werden konnte, die Erweiterung des Kirchenkreisverbands um den Kirchenkreis Peine, das Reformationsjubiläum...

...das Hochwasser in der Kita Marienburg.

Das alles kam oben drauf – oder ist das der Alltag eines Superintendenten?

Ich habe den Eindruck, dass es der Alltag ist. Es wird also nie langweilig, es kommen immer neue Überraschungen.

Was fehlte in der Aufzählung?

Das Gebäudemanagement beschäftigt uns gerade sehr.

Das heißt: Welche Gebäude behalten wir, welche geben wir ab?

Genau darum geht es. Wir brauchen einen neuen Plan, wie wir unsere Gebäude langfristig finanzieren können und wollen. Das ist mit tiefgreifenden Veränderungen verbunden. Wir haben Personal gespart, wir haben Strukturen geändert, die Kirchengemeinden sind kleiner geworden – die Gebäude nicht. Da ist jetzt ein großer Handlungsbedarf entstanden. Ein anderes wichtiges Thema ist die Kommunikation. Im Sommer haben wir eine neue Internet-Seite bekommen, die mir sehr gut gefällt. Und im Moment sind wir dabei, ein neues Corporate Design für den Kirchenkreis zu erstellen.

Wozu braucht der Kirchenkreis so etwas?

Aus meiner Sicht sind wir ein starker und kreativer Kirchenkreis, und das soll durch ein passendes Design auch für die Öffentlichkeit sichtbar werden. Das fängt beim Briefkopf und den Visitenkarten an, geht weiter bei der einheitlichen Beschilderung unserer Gebäude oder Veranstaltungsplakaten. Parallel dazu nehmen wir an einem extern moderierten Prozess teil, wo wir uns anschauen, wie unsere interne Kommunikation läuft: Welche Gremien haben wir und welche Gremien brauchen wir wirklich? Und wie arbeiten sie zusammen oder auch nicht? Wie können wir die Vernetzung besser machen? Ich glaube, da können wir vieles verbessern und weiterentwickeln.

Apropos Gremien: Im kommenden März stehen die Kirchenvorstandswahlen ins Haus. Es wird immer schwieriger, Menschen zu finden, die sich für immerhin sechs Jahre zur Verfügung stellen. Ist das System überhaupt noch zeitgemäß?

Ich bin ja auch Mitglied der Landessynode. Da gab es die Debatte um eine Reformierung des Wahlsystems. Ich bin sehr dafür. Das Wahlsystem, das wir jetzt haben, entspricht nicht mehr unserer allgemeinen kirchlichen Realität. Das muss neu gedacht werden. Für diese Wahl war das nicht mehr zu schaffen, aber ich denke, die nächste wird in anderer Form stattfinden.

Was macht Ihnen am meisten Spaß bei Ihrer neuen Arbeit?

Ganz vieles. Natürlich macht es mir nach wie vor ganz viel Spaß, Gottesdienste zu gestalten, in St. Andreas Gottesdienst zu feiern, mit den Gemeinden besondere Anlässe zu feiern wie die Wiedereinweihung der Kirche in Bolzum oder das 50-jährige Jubiläum der Zwölf-Apostel-Kirche in Hildesheim. Mir macht es aber auch wirklich Spaß, Veränderungs- und Erneuerungsprozesse zu gestalten wie beim Thema Kommunikation. Und ich finde, wir haben eine ganz großartige Pfarrkonferenz (Anmerkung: regelmäßige Treffen aller PastorInnen und DiakonInnen).

Schon Luther hatte gefordert, dass die Kirche sich ständig erneuern müsse. Tut sie das in ausreichendem Maße?

Ich finde, Sie verändert sich an vielen Stellen. Ich würde mir wünschen, dass manchmal weniger Beharrungskräfte da wären, und mehr Experimentierfreude wünschen – mehr Mut, Dinge auszuprobieren. Ein Beispiel: Bis auf eine Kirchengemeinde feiern alle in Hildesheim um 10 Uhr Gottesdienst. Ich fände es ein Leichtes, da etwas zu ändern.

Wenn Sie einen Wunsch für Ihre Arbeit oder den Kirchenkreis frei hätten, wie sähe der aus?

Tatsächlich ist es für mich ein großer Wunsch, dass es gelingt, im nächsten Jahr in allen Kirchengemeinden wieder gute und handlungsfähige Kirchenvorstände zu bekommen. Die Wahlen sind wirklich ein neuralgischer Punkt.