Hildesheim. Die lange Nacht der Kirchen beginnt laut. Um 18.55 Uhr läuten alle teilnehmenden 19 Kirchen gemeinsam ihre Glocken und so die Veranstaltung ein. Oder besser: die Veranstaltungen. Denn zu jeder vollen Stunde gibt es in jeder Kirche einen anderen Programmpunkt.
Zum Beispiel „Glocken-Geläut und Gloria“ in der Paul-Gerhard-Kirchengemeinde. Hier trägt Pastor Rainer Schwartzkopff Interessantes über die Kirchenglocken vor, die dann geläutet werden, und der Jugendchor tritt auf. Im Anschluss kann man den Kirchturm besteigen und die Glocken von Nahem bestaunen.
„Ich fand es sehr gut. Man hat ja sonst nie die Gelegenheit da oben rauf zu kommen“, sagt Carsten Hellemann. „Wir wollen jetzt noch in die Paulus-Kirchengemeinde und später in die Andreaskirche“, verrät Sonja Hellemann ihre weiteren Pläne.
Die Entscheidung für einen Programmpunkt und eine Kirche fällt gar nicht so leicht, immerhin ist das Angebot sehr groß. Da ist der illuminierte Klostergarten in St. Godehard, ein Konzert zum Mitsingen in der St.-Martinus-Kirche oder Stationen zu Segensworten in der Kapelle Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern. Oder auch die Möglichkeit sich mit Psalmen zu beschäftigen. Gudrun Paaschke hat in der Seminarkirche des Priesterseminars an der Veranstaltung PsalmenRaum – LebensRaum teilgenommen: „Das war ein sehr schöner Umgang mit dem Thema. Man konnte Psalmen mal ganz anders erleben.“
Im Literaturhaus St. Jakobi laden Anne Klocke und Dagmar Wortmann ein, den Raum mit der eigenen Stimme zu erforschen und gemeinsam zu singen. Tatsächlich lassen sich alle Besucher auf das Experiment ein und singen und sprechen gemeinsam in einem großen Kreis. „Der Raum ist einfach Kultur pur, die Kultur strömt aus allen Ecken. Sehr inspirierend“, schwärmt die Besucherin Johanna Ridder.
Um Stimme und Vortrag geht es um 21 Uhr auch in der Martin-Luther-Kirche. Dort gibt es einen Poetry Slam zum Motto des Abends „hellwach“. Sechs Schülerinnen des Andreanums tragen ihre Texte vor. Für Anne Peggau, die mit ihrem Text den Anfang macht, ist es der zweite Poetry Slam ihres Lebens. „Ich habe das Thema bekommen, und dann hatte ich sofort Bock zu schreiben“, erzählt sie. Für sie und die anderen Slammerinnen ist der Abend eine tolle Möglichkeit, das Vorlesen eigener Texte vor vielen Leuten zu erproben, da sind sich alle einig.
Auch im Garten der Martin-Luther-Kirche ist einiges los. Menschen haben es sich in den Liegestühlen gemütlich gemacht, viele gönnen sich ein Getränk am Cocktailwagen und einige Mutige seilen sich vom Kirchturm ab.
Imposant und musikalisch geht es mit dem Konzert des Bläserkreises St. Michaelis in der Lamberti-Kirchengemeinde zu. Als die Bläser und Bläserinnen von der langen Nacht der Kirchen hörten, hätten sie sofort Lust gehabt, mitzumachen, erzählt Anke Schrötke. Nur hatte die St.-Michaelis-Kirche als Programm die stille Kirche geplant, in der man Achtsamkeit und Stille erleben könnte. „Da passte ein Bläserkonzert nicht ganz so gut“, sagt sie lachend. Zum Glück kam dann die Anfrage von der Lamberti-Kirche.
„Die Leute, die zu uns gekommen sind, die sind sehr begeistert gewesen. Es ist sehr gut angenommen worden“, resümiert Daniela Kühl, Mitglied des Kirchenvorstandes St. Lamberti, den Abend. Sie deutet lachend auf den Tisch mit Getränken und Snacks: „Also das Catering ging auch gut. Wir haben acht Brote gekauft, die sind alle weg. Es war insgesamt eine gute Stimmung. Das ist ja eine Atmosphäre, die kann man eigentlich gar nicht beschreiben, die kann man nur wahrnehmen. Es ist eine tolle Veranstaltung gewesen. Also die Lange Nacht der Kirchen – die kann wieder stattfinden.“
„Den Posaunenchor, das fand ich wirklich ganz toll“, sagt auch Ingeborg Dobosch. Sie war vorher in der Andreaskirche, das Chorkonzert war zwar nicht ganz ihr Geschmack, „aber die anderen, die da waren, waren ganz begeistert.“ Das ist das Schöne an dem Format: in der Vielfalt des Programms ist für jeden etwas dabei. Gefällt einem etwas nicht, kann man zu einer anderen Kirche weiterziehen, um sich dort begeistern zu lassen. Das ist auch für Superindentent Mirko Peisert eine Besonderheit der langen Nacht der Kirchen: „Das Besondere und auch das Reizvolle an so einer Nacht ist, dass man viele unterschiedliche Orte erleben kann.“
Zum Abschluss der Veranstaltung gibt es in der St.-Andreas-Kirche mit dem Abendsegen einen ökumenischen Gottesdienst. „Gott wollte heute Spaß haben“, das habe heute Abend jemand zu ihm gesagt, erzählt Stadtdechant Wolfgang Voges. Er sei viel unterwegs gewesen an diesem Abend und sein Eindruck sei, dass die Leute sich allesamt sehr wohlgefühlt hätten.
„Ich finde, es war sehr viel Kreativität dabei und ich hatte viel Freude“, zieht auch Mirko Peisert ein zufriedenes Fazit. „Es war hier in der Innenstadt wirklich eine ganze tolle Stimmung. Ich habe überall Leute mit den Flyern getroffen. Viele Leute waren unterwegs, das freut mich.“
Mit der Freude ist er nicht allein, im Gegenteil, vielen Besucher geht es genauso. „Man hat so viele Eindrücke“, sagt Regina Solf, als sie aus der Andreaskirche kommt, „ich kann es noch gar nicht richtig in Worte fassen. Es war ganz einmalig.“ Lisa Krusche