Vorurteile abbauen - das funktioniert nur gemeinsam

Nachricht Hildesheim, 07. März 2018

Kreuzweg der Jugend in der Michaeliskirche setzt die Erfahrung von Verlassenheit und Trauer in Beziehung zum heutigen Alltag

Hildesheim. Vorurteile abzubauen ist nicht einfach. Auch dann, wenn es sich nur um ein Spiel handelt. In der Michaeliskirche besucht eine zehnte Klasse des Gymnasiums Himmelsthür mit Lehrerin Helga Hüsemann den Kreuzweg der Jugend und versucht sich an Station eins an einer Teamübung. In der Mitte liegen Holzklötzchen, beschriftet mit pauschalen Behauptungen. Ringsum stehen die Schülerinnen und Schüler alle mit einem bunten Band in der Hand und sollen damit gemeinsam - gut aufeinander abgestimmt - eine Art Triangel in der Mitte bewegen, um die Klötzchen aus dem Weg zu schaffen. Schwierig, wie sich zeigt.

Welches zuerst? Die Wahl fällt schnell auf „Gymnasiasten sind eitel“, denn: „Das betrifft uns alle.“ Und „Mädchen sind handwerklich unbegabt.“ – „Das muss weg“, erklärt ein Mädchen entschieden. Die Übung erfordert ein sehr gutes Zusammenspiel der Teilnehmenden, weiß Kirchenkreisjugendwartin Elske Gödeke. „Daran sieht man schnell, wie gut die Gruppe schon zusammen gewachsen ist.“ Und dass dieser Kurs in evangelischer Religion aus verschiedenen Klassen zusammengesetzt ist.

Der ökumenische Kreuzweg der Jugend wird jedes Jahr in der Passionszeit von Jugendlichen für Jugendliche in vielen Kirchen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gestaltet. Üblich sind sieben Stationen, für die eine Künstlergruppe zuvor Anknüpfungspunkte liefert. In diesem Jahr sind das in Köln entstandene Stencil-Art-Bilder, die urbane Straßenszenen mit dem Kreuzweg Jesu in Beziehung setzen.

Verschiedene Jugendgruppen evangelischer, katholischer und neuapostolischer Konfession haben dazu unter dem Titel #beimir Stationen erdacht, die Besuchergruppen zum Mitfühlen, Nacherleben und Nachdenken animieren. Es geht um Verlassenheit und Ausgrenzung, um Trauer, Schmerz und Verlust als grundlegende menschliche Erfahrungen, die in jeder Zeit und überall zum Leben gehören.

An mehreren Stationen besteht die Möglichkeit, eigene Gedanken und Gefühle aufzuschreiben, die Zettel an Stellwänden oder einem liegenden Kreuz zu hinterlassen. Würde ich einem Menschen in Not helfen oder eine Ausrede suchen? Wie wirken Beleidigungen und Schimpfwörter auf mich? Wie gehe ich mit Trauer um? Worüber klage ich, was bringt mich zum Weinen? Die hinterlassenen Zettel zeigen, dass auch in diesem Alter viele schon Verlust und Trauer erlebt haben.

Diese Spuren, die Gleichaltrige hinterlassen haben, berühren besonders. „Daran kann man sehen, dass man nicht allein ist“, erklärt eine Schülerin. „Das sind ja Themen, über die man sonst nicht spricht“, ergänzt eine andere.

Der Kreuzweg der Jugend ist noch bis Mittwoch, 14. März, in der Michaeliskirche zu sehen. Die Kirche ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet, dienstags ab 10 Uhr. Gruppen, die eine Begleitung durch den evangelischen Kirchenkreisjugenddienst wünschen, können sich telefonisch unter 05121-167530 anmelden.  Wiebke Barth