Die Hirten wären heute Angestellte

Nachricht Hildesheim, 14. Oktober 2019

Die neue Gottesdienstreihe „Life&Work” will Themen der Arbeitswelt in die Kirche holen

Hildesheim. Arbeitsplatz 4.0, Digitalisierung, Arbeitsverdichtung – das sind nur einige der Aspekte, die die Arbeitswelt von heute bestimmen und mit denen sich Berufstätige konfrontiert sehen. Solchen und ähnlichen Themen will sich die neue Gottesdienstreihe „Life&Work” des Kirchengemeindeverbansd Hildesheim-Ost widmen. Als Auftakt der Reihe wird am 27. Oktober um 17 Uhr in der Matthäus-Kirche an der Braunsberger Straße 2 ein spezieller Gottesdienst gefeiert. Sein Titel: „Job oder Berufung? Wie oft arbeitest du für Geld – wie oft aus Leidenschaft?".

„Die Kirche bietet für Berufstätige sehr wenig an. Sowohl inhaltlich, als auch von den Anfangszeiten der Angebote, die unter der Woche oft zu früh anfangen”, erklärt Jürgen Thiele, Mitglied des Kirchenvorstandes. Das wollte er ändern. Also hat er sich MitstreiterInnen gesucht und begonnen ein Konzept zu erarbeiten - mit dem Ziel Themen der Arbeitswelt in die Kirche zu holen.

Jürgen Thiele ist froh, dass Carola Bachstein, die Pastorin der Matthäus-Gemeinde, sich nach Rückkehr aus ihrer Elternzeit im September 2019 so schnell von der Idee hat überzeugen lassen. Sie sagt: „Mindestens ein Drittel meiner Tageszeit als Erwachsener verbringe ich mit Arbeit. Und die Frage ist doch: Was hat das eigentlich mit Gott zu tun? Es ist uns wichtig, den Bezug zwischen Lebenswelt und Glaube herzustellen und eine Möglichkeit zu bieten, den eigenen Arbeitsalltag im Hinblick auf den Glauben zu reflektieren.”

In der Bibel fänden sich erstaunlich viele Stellen, die sich mit dem Thema Arbeit befassten, betont Jürgen Thiele. Die Weihnachtsgeschichte sei ein gutes Beispiel. Immerhin hätten die Engel die Weihnachtsbotschaft zu allererst den Hirten verkündet, „also hart arbeitenden Menschen. Heute würde die Botschaft wahrscheinlich zuerst in den Produktionsstätten großer Konzerne verkündet.”

Über ein Jahr arbeitet das Vorbereitungsteam bereits an der Entwicklung des neuen Gottesdienstformates. Unterstützt wurden sie vom Haus kirchlicher Dienste in Hannover und deren Pastor Stephan Eimterbäumer, der mit seinem Wissen aus dem Kirchlichen Dienst der Landeskirche beratend zur Seite stand. „Zuerst dachten wir, wir machen eine Gesprächsrunde”, berichtet Jürgen Thiele vom Entwicklungsprozess. Die Idee zu einer Gottesdienstreihe kam erst später. Als der Entschluss dazu stand, war schnell klar, dass es alternative Gottesdienstkonzepte geben sollte.

„Wir werden den Gottesdienst etwas anders feiern”, sagt Jürgen Thiele. Konkret heißt das: eine freiere Form mit Statements von TeilnehmerInnen, die die Predigt von Pastor Eimterbäumer rahmen, viel Raum für Austausch, ein umgestalteter Kirchenraum. „Wir werden zum Beispiel das Kreuz abnehmen”, erklärt Jürgen Thiele. Das wird aber nicht verschwinden, sondern einen neuen Platz in der Mitte der Kirche einnehmen. 

Auf unterschiedlichsten Ebenen soll die Möglichkeit zum Dialog geschaffen werden. So bietet ein gemeinsames Get-Together mit Abendbrot im Anschluss an den Gottesdienst zusätzliche Gelegenheit sich auszutauschen. Begleitet wird der Gottesdienst von der Kirchenband Kreuzweise, die mit einer Mischung aus Popsongs und modernen Kirchenliedern für eine musikalische Begleitung sorgt.

„Die Form ist grundsätzlich offen”, sagt Carola Bachstein. Sie könne von Gottesdienst zu Gottesdienst variiert werden. Dem Vorbereitungsteam ist es sehr wichtig, dass Raum für Wünsche und Anregungen der BesucherInnen bleibt. „Wir wollen wissen, was die Leute beschäftigt, und das mit in die Gottesdienste einfließen lassen”, sagt Jürgen Thiele.

Eingeladen sind nicht nur Menschen, die arbeiten, sondern auch SeniorInnen – und ebenso SchülerInnen oder Studierende, die vor der Berufswahl stehen. „Ich glaube, dass der Austausch zwischen den Generationen, der dort stattfinden wird, sehr wertvoll ist”, sagt Luisa Waltz, Mitglied des Vorbereitungsteams und selbst noch Studentin. Sie freue sich unter anderem darauf, von anderen GottesdienstbesucherInnen Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag zu hören und daraus lernen zu können. Lisa Krusche