„Ich hatte so einen Gerechtigkeitsfimmel“, erzählt Gisela Sowa. Schon in der Schulzeit störte sie sich daran, wenn Menschen am Rand standen, nicht die gleichen Chancen hatten. Und sie wollte ganz konkret und praktisch etwas dagegen unternehmen, für „mehr Himmel auf Erden“ sorgen. Das hat sie als Sozialarbeiterin ihr ganzes Berufsleben lang getan, mehr als 30 Jahre davon im Diakonischen Werk – anfangs beim Kirchenkreis Sarstedt, nach der Fusion der Kirchenkreise in Hildesheim – und seit der Gründung des Kirchenkreisverbands schloss ihr Wirkungskreis auch Alfeld, Elze, Bockenem oder Peine mit ein. Immer wieder hat sie in Leitungsfunktionen Neues initiiert, Strukturen und Kooperationen aufgebaut – und wenn alles lief, ging es weiter zum nächsten Projekt: „Das hat mir immer Spaß gemacht.“
Die Ungerechtigkeit aus der Welt schaffen konnte sie nicht, aber Betroffene beraten und unterstützen – und gleichzeitig zusammen mit anderen Wohlfahrtsverbänden auf die Politik einwirken: „Man muss beides machen, helfen, aber auch fordern, nicht stillschweigend mildtätig sein.“ Forderungen gestellt hat sie zum Beispiel mit am Runden Tisch Kinderarmut, der den Zuschuss von 100 Euro beim Schulstart für Familien mit geringem Einkommen durchgesetzt hat. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Sowa, und dass es „ein Skandal“ sei, dass jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut betroffen ist und dadurch oft auch geringere Bildungschancen hat: „Da ist der Protest nicht laut genug.“
Soziale Kaufhäuser oder Tafeln seien längst nicht mehr die Rettung in Ausnahme-Notfällen, sondern für viele regelmäßige Anlaufstellen, um über die Runden zu kommen, weil die Regelversorgung offensichtlich nicht reiche. Sowa erinnert sich daran, als die Ausgabe von Lebensmitteln zwar nur einmal in der Woche stattfand, die Menschenschlange an zentraler Stelle in der Theaterstraße aber unübersehbar war.
Mit den Folgen von Armut wird Gisela Sowa als Koordinatorin der Stiftung Familien in Not (FiN) immer wieder konfrontiert. Das Projekt entstand aus der Spendensammlung einer betrieblichen Weihnachtsfeier; aus der Initiative wuchs dank der Stiftung eine feste Einrichtung. Mit Geld, Sachverstand und einem Netzwerk von Partnern hilft FiN Familien, denen beispielsweise durch Trennung, Krankheit oder Umzug die Probleme über den Kopf wachsen.
Als 2001 die Beratungsstellen der Caritas und des Sozialdienstes Katholischer Frauen den Beratungsschein für eine straffreie Abtreibung nicht mehr ausstellen durften, sprang das Diakonische Werk ein. Gisela Sowa baute die Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung auf, in der sie seitdem tätig ist: „Es ist wichtig, dass Kirche die Frauen in diesem schwerwiegenden Prozess nicht allein lässt.“
In der gerade wieder aktuellen politischen Diskussion um die Legalisierung von Abtreibungen ist sie klar der Meinung: Der Schwangerschaftsabbruch gehört nicht ins Strafgesetzbuch. Gleichzeitig hält sie viel von der verpflichtenden Beratung: „Die psychische Belastung liegt allein bei den Frauen, und für die meisten ist es eine sehr schwere Entscheidung.“ Sich im Beratungsgespräch damit zu konfrontieren, helfe später auch, mit der eigenen Entscheidung gut weiterzuleben.
Viele soziale Projekte stützen sich auf die Mitarbeit von Ehrenamtlichen – Basis auch für die Nachbarschaftshilfen, die in den 2000er Jahren reihenweise entstanden. Sowa rief in Sarstedt die Nachbarschaftshilfe Spontan ins Leben und knüpfte ein Netzwerk der Nachbarschaftshilfen, sorgte für professionelle Strukturen und Einbindung. Denn Ehrenamt sollte für beide Seiten ein Gewinn sein, meint Sowa – und das gelinge nur, wenn Ehrenamtler sich nicht ausgenutzt fühlen als billiger Ersatz für fehlendes Personal: „Dann ist es Etikettenschwindel.“
Ende des Jahres geht Gisela Sowa in den Ruhestand, für die Zeit danach hat sie noch keine konkreten Pläne, sondern will „das Leben auf mich zukommen lassen“. Ihre Arbeit wird fortgeführt, mit Jana Kuschel als Koordinatorin bei FiN, Sandra Warnick in der Schwangerschaftskonfliktberatung und Henrike Scheele-Mour als stellvertretende Geschäftsführerin. Wiebke Barth