Hier liest die literarische Avantgarde

Nachricht Hildesheim, 26. April 2024

Das Literaturhaus St. Jakobi feiert am 30. April zehnten Geburtstag mit literarischen -Wegbegleiterinnen und rüstet sich für Schlafen – Wachen - Träumen

Hildesheim. Eine Verbindung von Spiritualität und Literatur zu schaffen, vereint durch die Kraft des Wortes – mit diesem Ziel wurde das Literaturhaus St. Jakobi vor zehn Jahren aus der Taufe gehoben. Es schien ein wagemutiger Schritt, aus der jahrhundertealten Pilgerkirche einen Ort der Kultur zu machen, an dem zeitgenössische Literatur und innovative Formate etabliert werden sollten.

Heute ist das Literaturhaus St. Jakobi – finanziert vom Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt und von der Landeskirche Hannovers - fester Bestandteil des Hildesheimer Kulturlebens. „Wir freuen uns, dass wir so gut angenommen worden sind“, sagt Sarah Sophia Patzak, Intendantin des Literaturhauses St. Jakobi. 2021 hat sie Dirk Brall abgelöst und die Leitung übernommen, doch schon seit 2016 als Projektmanagerin die Entwicklung des Hauses mitgestaltet. Sie schwärmt von Begegnungen mit Autorinnen, die sie auch ganz persönlich beeinflusst haben: Zum Beispiel Regisseurin und Autorin Doris Dörrie, die mit ihrer Poetikvorlesung 2019 ihre Idee von einer besonders empathischen Teamarbeit vermittelt hat. Oder die Journalistin und Moderatorin Katrin Bauerfeind 2017: Der gemeinsame Absacker nach der Veranstaltung mit ihr motivierte Patzak, ein Masterstudium zu beginnen, das sie dann am Kulturcampus Domäne absolvierte.

Längst etabliert ist die Zusammenarbeit des Literaturhauses mit der Universität Hildesheim und ihren Studierenden. Die sind nicht nur „unser treuestes Publikum“, wie Patzak sagt. Sie wachsen mit der Kulturkirche mit, haben vielleicht schon während des Co-Writing-Space in der Kirche über ihren Texten gebrütet, beim Blauen Salon gelesen, an der Bar ausgeholfen, ehe sie irgendwann im Literaturhaus ihren ersten Roman vorstellen.  „Wir können hier im Hildesheimer Literaturhaus schon die künftige literarische Avantgarde hören“, schwärmt Sarah Sophia Patzak. Mariana Leky, Leif Randt, Lisa Krusche, Jo Lendle, Shida Bazyar oder Philipp Winkler gehören zu denen, die als erfolgreiche Schriftsteller nach Hildesheim und St. Jakobi zurückgekommen sind.

Doch auch zahlreiche international bekannte Gäste saßen in den vergangenen zehn Jahren vor dem jährlich neu gestalteten Bühnenbild. Angefangen bei der aktuellen Außenministerin Annalena Baerbock, über Klimafolgenforscher Harald Welzer zu Schauspieler Ulrich Noethen. Spirituelle Größen wie Anselm Grün und Fulbert Steffensky füllten neben renommierten Literaturstars wie Cornelia Funke, Helga Schubert und Navid Kermani die kleine Saalkirche.

Eine Lesung im Literaturhaus St. Jakobi ist meist ein moderiertes Gespräch. Im Dialog, „da passiert die Magie, dass eine Autorin oder ein Autor durch Fragen neu ins Nachdenken kommt, neue Impulse entstehen“, erklärt Intendantin Patzak: Ein besonderer Moment, in dem das Publikum die Lesenden so kennenlernen kann, wie sie wirklich sind.

Teil der Diskurse sind aktuelle gesellschaftliche Themen, die immer auch kirchliche Inhalte aufgreifen und die sich in der Literatur spiegeln: Flucht, Demenz, Trauer oder Tod sind Lebensthemen, die gut in diesen mehr als 500 Jahre alten Kirchenbau passen. „Wir erreichen mit dieser Offenheit auch Menschen, die Kirche sonst oft nicht mehr erreicht“, glaubt Intendantin Patzak.

Überhaupt sollte die Auswahl der Themen und Formate für möglichst viele Menschen einen Anknüpfungspunkt bieten, ob sie nun ihren Lieblingsautor live erleben oder neue Bücher für sich entdecken wollen, sich bei Espresso und Kunsten mit Pastorin Birgit Mattausch einen Impuls im Alltag abholen oder die besondere Atmosphäre der Osternacht oder des weihnachtlichen Rastplatzes auf sich wirken lassen. Die Vielfalt des Programms wird auch möglich dank der Unterstützung verschiedener Förderer wie beispielsweise der Bürgerstiftung.

Die Zusammenstellung des Programms und die Gestaltung des Bühnenbildes orientiert sich an den Spielzeitthemen, die eine Klammer bilden und jeweils im Dreiklang auftreten: Angefangen mit Meer – Wald – Berg bis zu Gestern – Morgen – Jetzt. Die Trilogien haben sich bewährt und werden fortgesetzt, verrät Sarah Sophia Patzak: Im September beginnt mit der neuen Spielzeit der Dreiklang Schlafen – Wachen – Träumen.

Aber erst wird der zehnte Geburtstag gefeiert: Am Dienstag, 30. April, ab 19.30 Uhr (Einlass 19 Uhr), mit Rückblicken und Zukunftswünschen und jeweils zehnminütigen Lesungen von Thea Mengeler, Mariana Leky und Lisa Krusche. Der Eintritt ist frei.   Wiebke Barth