Hildesheim. Mit frischem Wind und klaren Visionen hat Cordula Trauner ihr neues Amt als Superintendentin im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt angetreten. Trauners Überzeugungen sind fest verankert in einer modernen und zugleich traditionsbewussten Theologie. „Für mich stand mit acht Jahren fest, dass ich evangelische Pastorin werden möchte“, erzählt sie.
Cordula Trauner hat ein tiefes Verständnis für menschliches Leid und Mitgefühl entwickelt. „Während des Theologiestudiums In den 90er-Jahren habe ich eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Mitarbeiterin in der AIDS-Hilfe gemacht. Hier habe ich gelernt, dass Menschen ein Recht auf ihr Leid haben“, betont sie. Die dortigen Erfahrungen haben sie sensibilisiert für die Herausforderungen, denen viele Menschen im Alltag begegnen. Als Pfarrerin engagierte sie sich in der Flüchtlingsarbeit in Nordafrika, besuchte Israel/Palästina und baute den Schüler:innenaustausch mit einer Schule in Ramallah auf. Die Armut in unserer Gesellschaft bewegt sie tief: „Mehr als jedes fünfte Kind in Niedersachsen ist armutsgefährdet. Wir müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln: Wie wollen wir als Kirche unserem sozial-diakonischen Auftrag gerecht werden und wie stellen wir Chancengerechtigkeit her – nicht nur für von Armut betroffene Kinder?
„Erst wer den Menschen ansieht, verleiht ihm ein Gesicht“, so Cordula Trauner. Inspiriert zu dieser Grundannahme hat sie das Bild „Vier Mädchen auf der Brücke“ (1905) von Edvard Munchs, das im Dienstzimmer von Schulleiterin Schwester Maria Gertrudis Koch hing.
Schubladendenken passt wenig zu Trauner: Evangelisch-reformiert aufgewachsen und konfirmiert, besuchte sie nach ihrem Realschulabschluss ein katholisches Privatgymnasium, ließ sich gar in katholischer Religion im Abitur prüfen. Ihr frühes Interesse am interkonfessionellen Dialog ist noch heute ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit – auch interreligiös.
Ihre Führungsphilosophie ist geprägt von Respekt und Vertrauen. „Es geht um vertrauensvolle Zusammenarbeit in einer Dienstgemeinschaft, in der jede:r unter-schiedliche Gaben und Begabungen hat. Dabei schätze ich inter- und multi-professionelle Teams. Ich scheue mich nicht vor Konflikten – finde jedoch eine menschen- wie sachgerechte Haltung in der Bearbeitung notwendig. Am Ende sollten sich Menschen immer noch in die Augen gucken können.“
Beim Thema sexualisierte und psychische Gewalt fahre sie eine absolute Nulllinie, so Trauner. „Da es in jedem Fall um Menschen geht, ist es wichtig, dass alle an einem eigenen Schutzkonzept arbeiten und dies fortlaufend weiterentwickeln. Menschen, die von Gewalt betroffen waren/sind, haben im Umgang damit ein Lebensthema, das sie sich nicht ausgesucht haben. Ich halte es vor diesem Hintergrund für selbstverständlich, die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen für Haupt- und Ehrenamtliche im Rahmen der Schutzkonzeptarbeit nicht diskutieren zu müssen. Um sicherere Orte und Angebote zu schaffen, braucht es verbindliche Verabredungen, geschulte Wahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität.
Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit sind zentrale Themen in ihrer Vision für die Kirche. In Nachhaltigkeit stecke das Wort Haltung. Eine je eigene Haltung zu haben und diese fortlaufend zu entwickeln sei ihr wichtig. Den Blick für öko-faire Beschaffung zu schärfen heißt für sie den Blick für die Menschen zu schärfen.
Sie glaubt fest an ein Leben nach dem Tod und schöpft daraus Kraft und Zuversicht. Ihre Vision für die Zukunft der Kirche ist klar: „Auch in zehn Jahren wird es Kirche geben – anders, aber geben. Vielleicht stärker interkonfessionell, interreligiös zusammenarbeitend und mit einem ausgeprägten sozial-diakonischen Profil.“ Der Gottesdienst geht nach dem Gottesdienst weiter – im je eigenen Christsein, so Trauner. Gottesdienstorte und -inhalte werden sich ändern und doch bliebe die zentrale Botschaft des Evangeliums.
Ihre Freizeit verbringt sie gerne mit kulturellen Aktivitäten, Büchern und Musik. „Im Radio höre ich fast alles, ansonsten gerne Barock, Klassik oder Gospel“, erzählt sie. Mit ihrer Frau habe sie bereits ein bisschen die Gegend erkundet, sei im Café gewesen und habe schon ein Schwimmbad gefunden. „Ich freue mich auf viele Begegnungen mit den Menschen.“ Ihr Ordinationsspruch (Sprüche 31,8+9) sei ein wesentliches Motiv für ihre Arbeit. Gunnar Müller