Am Zweiten Weihnachtstag: Gottesdienst feiern wie 1545 - Mit Weihrauch, Orgel und Gesang

Nachricht Hildesheim, 25. Dezember 2024

Pastor Janis Berzins und Kantor Bernhard Römer wagen in der St.-Andreas-Kirche die Rekonstruktion eines Gottesdienstes, wie er zur Zeit der Reformation hätte aussehen können.

Lateinische Texte, Weihrauch und der Pastor im farbigen – oder zu Weihnachten weißen – Gewand: All das gehörte zur Zeit der Reformation noch zu einer evangelischen Messe. In den Gottesdiensten hatte sich zwar vieles durch die Reformation geändert, aber eben auch nicht alles. Pastor Janis Berzins und Kantor Bernhard Römer wollen zu Weihnachten einen Gottesdienst wie aus der Zeit der Reformation feiern, um der Gemeinde dieses Erlebnis zugänglich zu machen.

Der rekonstruierte Festgottesdienst findet am Zweiten Weihnachtstag, 26. Dezember, um 18 Uhr in der St.-Andreas-Kirche statt. Für Musik sorgen Bernhard Römer an der Orgel sowie ein Oktett von Sängern und Sängerinnen aus Kantorei und Kammerchor. Sie übernehmen den Part, den im 16. Jahrhundert ein Schulchor des Andreanums innehatte, der Lateinschule direkt neben der Kirche. Auch Gemeindegesang gehörte im 16. Jahrhundert zum Gottesdienst, so sollen „Vom Himmel hoch“ und „Josef, lieber Josef mein“ erklingen. Anders als zur Zeit der Reformation gibt es dafür Liedzettel.

Die Idee zu dieser Rekonstruktion sei einerseits seinem persönlichen Interesse entsprungen, sagt Pastor Berzins – besonders durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Andreaskirche, wo Johannes Bugenhagen 1542 die erste reformatorische Predigt in Hildesheim hielt. Eine Predigt, heute selbstverständlicher Bestandteil des Gottesdienstes, habe es in den mittelalterlichen Messen meist nicht gegeben, erläutert Berzins.

Priester feierten an den zahlreichen Altären einer Kirche oft ganz für sich einen Gottesdienst und zwar ausschließlich in lateinischer Sprache. Die Reformatoren legten aber Wert darauf, die Gemeinde einzubeziehen, weshalb die Predigten auch auf Deutsch gehalten wurden. Die Ansprachen dauerten damals gern mal eine Stunde oder mehr – diesen Punkt möchte Pastor Berzins allerdings nicht auf den Weihnachtsgottesdienst übertragen, er predige nicht länger als sonst: „Ich glaube, das ist barmherzig“, meint der Pastor.

Um den historischen Vorbildern sonst aber möglichst nahe zu kommen, stützen sich Berzins und Römer vor allem auf die von Johannes Bugenhagen verfasste Kirchenordnung von 1544. Auch habe der Freiburger Musikwissenschaftler Konrad Küster schon einmal einen lutherischen Gottesdienst rekonstruiert. Musikalisch kann der Kantor auf eine Liedsammlung von Georg Rhau aus Wittenberg aus dem Jahr 1545 zurückgreifen, die keineswegs nur Stücke enthält, die während der Reformation entstanden sind, sondern viele ältere. Überhaupt, sagt Römer, gebe es in dem Gottesdienst vieles, was die Konfessionen verbindet: „Und das wollen wir betonen.“

Keinesfalls werde der Gottesdienst zu einer musealen Veranstaltung, betont Pastor Berzins. Manche Menschen fühlten sich eben auch durch alte Formen und Klänge angesprochen: „Das ist ein spiritueller Reichtum, der uns zur Verfügung steht.“   Wiebke Barth

Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung