Zuhören, Zeit schenken, Hemmungen überwinden

Nachricht Sarstedt, 23. Februar 2020

Gymnasiasten lernen im Sozialpraktikum den Alltag im Altenheim St. Nicolai kennen

Für die Faschingspartyim Altenheim hatten die Praktikant*innen unter Anleitung von Susanne Lippolt (links) bunte Plakate für die Wohnbereiche gestaltet. Renate Wojtena und Hella Hess (Mitte. Von links) freuen sich über die jungen Gesichter im Haus. Foto: Christina Steffani-Böringer

Sarstedt. Simona und Lasse, Evelin und Alara haben sich in den letzten zwei Wochen mal mit etwas ganz anderem beschäftigt, als sonst in ihrem Alltag. Die Schülerinnen und der Schüler des Gymnasiums Sarstedt absolvierten zusammen mit einer weiteren Mitschülerin ein Sozialpraktikum im Alten- und Pflegeheim St. Nicolai Sarstedt.

2020 stand für die Neuntklässler des Gymnasiums erstmals seit langer Zeit wieder ein Sozialpraktikum auf dem Stundenplan. An einer privat organisierten Praktikumsstelle galt es, sich zwei Wochen mit Fragen und Aufgaben auseinanderzusetzen, die nicht unbedingt auf eine berufliche Orientierung abzielen.

Stattdessen ging es um sozial-emotionales Lernen. Vorurteile abzubauen, mal „über den eigenen Schatten zu springen“, Begegnungen mit benachteiligten oder pflegebedürftigen Menschen zu erleben. Ziel des Praktikums war auch, ein Bewusstsein zu entwickeln für die Probleme von Alten, Kranken oder Schwachen im Alltag, sowie Empathie und soziale Kompetenz zu entwickeln.

„Wir haben am Anfang einen Projekttag gehabt, da haben wir auch unsere persönlichen Ziele formuliert“, so Evelin. Sie selbst hatte sich vorgenommen, mehr in Interaktion mit anderen Menschen zu treten. „Nach der Schule kommt man sonst nach Hause und da ist dann nicht mehr so viel zusammen mit anderen. Das wollte ich bewusst ändern.“ Dieses Ziel hat sie nun im Rückblick erreicht. Die 14-Jährige hat den Bewohnern eine besondere Freude gemacht: An einem Tag brachte sie ihre Gitarre mit und hat zur Musik mit den Senior*innen gesungen.

Die 15-jährige Simona teilte im Speisesaal Essen aus, fand in der Einzelbetreuung Zeit für Gespräche und spielte mit den Bewohner*innen des Altenheims ganz in Ruhe Gesellschaftsspiele. „Das hat Spaß gemacht. Und bei `Mensch ärgere dich nicht´ haben mir dann einige auch aus ihrem Leben erzählt. Vom Zweiten Weltkrieg zum Beispiel.“ Alara „wollte Menschen glücklicher machen“. Das ist ihr nach eigener Einschätzung durchaus in Teilen geglückt. „Man merkt hier schnell, dass es die Bewohner freut, wenn man kommt und Zeit für sie hat, dass man da ist. Durch die Gespräche habe ich schnell die Bewohner kennengelernt. - und die mich“, erzählt Alara, die sich nach kurzer Eingewöhnung auch allein auf die Zimmer getraut und den Heimbewohnern Gesellschaft geleistet hat, die oft unter ihrer Einsamkeit leiden. „Viel zu selten kommen Besucher“, bedauert Heimleiterin Christine Hoschke.

Susanne Lippolt vom Begleitenden Dienst ist voll des Lobes für Alara: „Es ist toll, dass Du dich getraut hast, auf die Bewohner zuzugehen. Und sogar eigenverantwortlich eine Gruppe mit Spielen angeleitet hast, als ich zeitlich noch verhindert war!“

Lasse hingegen hatte Spaß am Gehirntraining mit den Senioren. „Es ist schön zu sehen, wie das ankommt.“

Altenheimleiterin Christine Hoschke hatte mit ihrem Team viel möglich gemacht, um den PraktikantInnen optimale Einblicke gewähren zu können. „Die Mitarbeitenden im Begleitenden Dienst haben in den zwei Wochen extra auf Urlaub verzichtet, damit unsere Schüler durchweg die gleichen Mitarbeitenden begleiten konnten bei deren Dienst“, erklärt Hoschke. So konnten die Schüler*innen echte Arbeitsabläufe kennenlernen. Sie nahmen mit ihren Betreuerinnen Früh- und Spät- sowie Wochenenddienste auf sich. „Das ist gut, weil durch die Schichten der Alltag variiert.“

Doch sosehr Altenheimleiterin Christine Hoschke den Einsatz der Schülerinnen und des Schülers wertschätzt, in kommenden Jahren wird ein Praktikum in der Einrichtung an der Lindenallee in diesem Umfang nicht mehr möglich sein: „Fünf Praktikanten auf einmal, das ist zuviel, gerade, wenn wir die persönliche Betreuung durch nur je einen Ansprechpartner gewährleisten wollen. Und die hat sich bewährt.“ In Zukunft also nur noch ein oder zwei Praktikanten auf einmal. Das aber mit vollem Menschenkontakt. Christina Steffani-Böringer