Adventskirche leuchtet zum Kirchweihfest

Nachricht Algermissen, 23. November 2020

Einstige evangelische „Notkirche“ wird am 1. Advent 70 Jahre alt

Algermissen. Am Sonntag, 29. November, wird in Algermissen nicht nur der 1. Advent gefeiert, sondern auch das Kirchweihfest der 70 Jahre alten Adventskirche. Das evangelische Gotteshaus im Grasweg ragt nicht wie andere Kirchen über die Wohnhäuser hinaus, und nur ein kleines Kreuz auf dem Dach zeigt seine Bestimmung an. Der Innenraum der als Holzständerbau errichteten Kirche hat jedoch eine ganz besondere Ausstrahlung: Warm und einladend wirkt das Holz, die im Halbrund zum Altar ausgerichteten Bänke schaffen ein Gefühl von Gemeinschaft. Und bei Sonnenschein erzeugt die umlaufende Fensterreihe unter dem Dach ein sehr schönes Licht, erzählt Pastor Dr. Yorick Schulz-Wackerbarth.

Am 1. Advent 1950 wurde die Adventskirche in Algermissen geweiht – doch nicht deshalb trägt sie ihren Namen, sondern weil sie an die Ankunft des Gottessohnes erinnern soll: „Siehe ich komme bald!“ steht über dem Altar geschrieben. Die evangelischen Christen hatten lange auf eine eigene Kirche gewartet. Bis zum Kriegsende 1945 waren sie nur eine kleine Schar von rund 250 evangelischen Einwohnern. Doch dann wuchs die Gemeinde durch den Zuzug von Flüchtlingen in kurzer Zeit um 1000 Menschen an; heute gibt es in Algermissen 1357 evangelische Einwohner.

1950 ging es dann ganz schnell: Erster Spatenstich und Grundsteinlegung im August, Richtfest im Oktober, Einweihung am 3. Dezember. Bei dem Bau handele es sich um ein „Notkirche Typ D“ genanntes Modell, weiß Ellen Stock, die von klein auf Gemeindemitglied war, im Kirchenvorstand gewirkt hat und heute den Gemeindebrief austrägt. Um die 20 Kirchen dieser Art seien wohl in Deutschland errichtet worden. Die Idee des Gebäudes, inzwischen ein Baudenkmal, ist heute wieder ganz aktuell: Der Altar kann hinter Holzläden verborgen werden, die Bänke lassen sich beiseite räumen, und schon ist der Raum in einen Gemeindesaal verwandelt. Lange Zeit wurde sonntags in dieser Weise für den Nachmittagskaffee angepackt und umgeräumt. Seit 2005 steht aber nebenan ein moderner, heller Gemeindesaal.

Die sogenannte Notkirche steht jetzt schon 70 Jahre. Zum Kirchweihfest hatte die Gemeinde viele Pläne gemacht: Einen Weihnachtsmarkt sollte es geben, Musik und Kinderbelustigung. Aus alten Fotos von Hubert Stock haben seine Tochter Ellen Stock und Götz Göttsche ein 90-minütiges Video erstellt, das der Gemeinde vorgeführt werden sollte. Diese Pläne fallen den Corona-Bestimmungen zum Opfer, das Fest soll nächstes Jahr nachgeholt werden. Gefeiert wird am 1. Advent aber trotzdem. Ein Vorbereitungsteam um Uwe Schelske hat dafür gesorgt.

Schon die ganze Woche vor dem Kirchweihfest wird die Kirche abends ab 17 Uhr in farbiges Licht getaucht, Einwohner sind zu einem abendlichen Spaziergang in den Grasweg eingeladen, um die Wirkung zu bewundern. Zum Festgottesdienst am 29. November um 14 Uhr finden etwa 30 Personen in der Kirche Platz, der Gottesdienst wird zusätzlich in den Gemeindesaal übertragen. Zudem wird die Festansprache von Superintendent Mirko Peisert schon vorab auf Video aufgenommen und ist ab dem 1. Advent auf dem Youtube-Kanal der Gemeinde „Zwölf Apostel in der Tube“ abrufbar.

Die 12-Apostel-Kirchengemeinde Sarstedt Land, zu der Algermissen gehört, entstand durch Fusion im Jahr 2012; außer Algermissen zählen dazu Groß- und Klein Lobke, Ingeln-Oesselse, Müllingen, Wirringen, Wassel, Bledeln, Hotteln, Gödringen sowie Lühnde, Ummeln und Wätzum. Die Gemeinden hatten die Fusion selbst beschlossen, da sie ohnehin schon lange zusammenarbeiteten.

Für viele der rund 6000 Gemeindemitglieder ist es inzwischen auch selbstverständlich, eine der zwölf Kirchen und Kapellen in anderen Ortschaften der Gemeinde 12-Apostel Sarstedt-Land zu besuchen. Nach etwas holperigen Anfängen gibt es heute mit Annegret Austen, Raphael Below und Dr. Yorick Schulz-Wackerbarth ein Pastorentrio, das gut als Team zusammenarbeitet. Die Ökumene wird in Algermissen besonders gepflegt und mit Leben erfüllt. Helga Ecks, Kirchenvorsteherin und Lektorin, erinnert sich noch an Zeiten, als evangelische und katholische Kinder in der Schule in getrennte Klassen gingen: „Aber heute fragt kein Mensch mehr nach der Konfession.“   Wiebke Barth