Hildesheim. Es herrscht ungewohnte Ruhe in der evangelischen Kita Lämmerweide am Trockenen Kamp. Wo sonst der fröhliche Lärm einer ganzen Kinderhorde das Gebäude erfüllt, spielen jetzt nur vereinzelt Mädchen und Jungen, sind manche Räume gänzlich verwaist. Laden und Asya backen einträchtig miteinander Sandkuchen. Außer ihnen ist nur noch ein weiteres Mädchen aus der Gelben Gruppe da. Drei Krippenkinder genießen unterdessen draußen das Spielgelände, verlieren sich fast zwischen Schaukel, Rutsche und Klettergerüst, soviel Platz haben sie zurzeit. Zwei weitere sind nach fünf Wochen Pause gerade erst in der Grünen Gruppe der Krippe zurück und haben die Spielfläche am Gemeindehaus ganz für sich. Trotzdem sind für jede Gruppe zwei Betreuungskräfte im Einsatz.
Für die Notbetreuung in den Kindertagesstätten gelten strenge Regeln: Höchstens fünf Kinder pro Gruppe dürfen aufgenommen werden. Nur bestimmte Berufsgruppen können einen Platz für ihr Kind beanspruchen. Die Eltern müssen außerdem nachweisen, dass sie am Arbeitsplatz benötigt werden oder ihnen unverhältnismäßige Nachteile drohen, wenn sie zuhause bleiben. Arbeiten sie beispielsweise nur drei Tage die Woche oder nur vier Stunden am Tag, dann darf das Kind auch nur in dieser Zeit in die Notbetreuung.
In den ersten Wochen ab dem 16. März war das Betreuungsangebot bekanntlich auf Angehörige bestimmter systemrelevanter Berufe beschränkt. „Von unseren 21 Kindertagesstätten waren nur elf in Betrieb“, erzählt Carmen Niebecker, Pädagogische Leitung für die Kitas im evangelischen Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt. Nicht nur, weil die meisten Erziehungsberechtigten keinen Anspruch hatten: „Die Eltern haben von sich aus vieles geregelt, und die Arbeitgeber sind mitgegangen.“
Doch inzwischen wende sich das Blatt: „Es gab Anrufe ohne Ende.“ Seit dem 20. April dürfen mehr Eltern einen Antrag stellen, auch Berufe von „allgemeinem öffentlichen Interesse“ gehören zu den Berechtigten. Zudem sind Überstunden und Urlaubstage oft ausgeschöpft. Und das Home-Office lässt sich kaum mit der Betreuung von Kleinkindern vereinbaren. Dass Mama oder Papa nicht beim Telefonieren gestört werden dürfen, „das kann man den Kindern nicht begreiflich machen“, weiß Carmen Niebecker.
Die Auswahl der Familien, die eine Betreuung für ihr Kind erhalten, als Einzelfallentscheidung den Kita-Leitungen zu überlassen, hält Carmen Niebecker für falsch. Schon deshalb, weil eine Ablehnung das Vertrauensverhältnis zwischen Tagesstätte und Eltern künftig belasten könnte. Für die Kitas im Kirchenkreis übernehmen daher drei Mitarbeitende des Kirchenamtes als betriebswirtschaftlicher Träger die Gewichtung der Anträge, fragen in Zweifelsfällen bei den Kita-Leiterinnen nach. Denn gerade wenn es um Härtefälle geht, ist der persönliche Kontakt zu den Familien doch von Vorteil.