Hildesheim. Kirchenräume haben es Axel Kawalla angetan, schon seit seiner ersten Pastorenstelle in Idensen. Das liegt in der Nähe von Wunstorf und hat eine wunderschöne kleine Kirche mit Wandmalereien aus dem Jahr 1130. Nun, gut 20 Jahre später, tritt er wieder eine Pfarrstelle in einer besonderen Kirche an: St. Andreas in Hildesheim. „Hier passt die Idenser Kirche 30mal rein“, sagt Kawalla.
Etwas später fügt er hinzu: „Ich habe keine Angst vor großen Räumen.“ Im Gegenteil, er sei gespannt, wie sich das Kirchenschiff füllen lasse mit unterschiedlichsten Gottesdienst-Formen, mit Musik und Kunst. „Ich bin ein Ohren- und ein Augenmensch“, sagt der 53-Jährige, und beide Sinne können in St. Andreas reichlich angesprochen werden.
Kawalla ist in Hannover aufgewachsen, sein Vater war Superintendent in Langenhagen. Schon als Jugendlicher brachte er sich in die Gemeinde ein und leitete eine Jugendgruppe. Die Erfahrungen dort und zwei Reisen nach Taizé ließen in ihm die Entscheidung reifen, es dem Vater nachzutun und ebenfalls Theologie zu studieren.
Eine andere Option wäre ein Kunststudium gewesen. Bis heute fasziniert ihn Kunst – nicht nur als Betrachter, sondern aktiv als Künstler. Seine Ölgemälde, Zeichnungen, Drucke und Skulpturen zeigt er gelegentlich bei Ausstellungen. Eine andere Liebe gilt der Musik und dem Chorgesang. „Ich bin sehr neugierig, was in St. Andreas an Musik und Kirchenmusik geschieht und möglich ist“, sagt Kawalla.
17 gute Jahre lang war Kawalla Pastor in der hannoverschen Melanchthon-Gemeinde. In dieser Zeit habe er mit seiner Frau zwei Kinder bekommen, die inzwischen erwachsen sind, erzählt er. „Das war für mich ein Entdecken des Gemeindelebens durch die Augen der Kinder.“ Die Arbeit mit Familien sei dann einer der Schwerpunkte in seiner Pastorentätigkeit geworden und er freue sich darüber, dass ein Kindergarten zur Andreas-Gemeinde gehöre.
Die Gemeindearbeit machte nur eine halbe Stelle aus; die andere Hälfte war die HIV- und Aids-Seelsorge der Landeskirche. Die Gespräche mit HIV-positiven Menschen seien ungewöhnlich offen gewesen, berichtet Kawalla: „Diese Community ist wirklich großartig und hat mich selbst auch sehr verändert.“ Zum Jahresbeginn hat die Landeskirche die HIV-Seelsorge eingestellt und dem Angebot einen queeren Schwerpunkt gegeben, also die Arbeit mit Menschen, die nicht heterosexuell sind.
Man merkt Axel Kawalla schnell an, dass ihm dieser Bereich wichtig ist. In der Unterhaltung verwendet er Gender-gerechte Sprache, und auch im Gottesdienst wird sich seine Haltung bemerkbar machen. Das bisherige, männlich geprägte Gottesbild sei für viele Menschen nicht mehr stimmig. Im Austausch mit der Gemeinde wolle er daher herausfinden: „Welche Bilder und Symbole leuchten uns ein, wenn wir über Gott sprechen?“
Ansonsten liegt ihm vor allem die Vielfalt der Gottesdienstformen am Herzen. In Hannover hat er unter anderem eine Predigt-Reihe mit Slam-Poetinnen und -Poeten erfolgreich ausprobiert. Auf der Suche nach Formen des Gottesdienstes gehe es ihm nicht um das Event, sagt Kawalla, sondern den Versuch, ein ganzheitliches Erlebnis zu gestalten. „Menschen kommen und schenken sich einander und Gott eine Stunde Zeit. Und in dieser Stunde kann so viel passieren, mit den Einzelnen und in der Gemeinschaft. Das mitzugestalten ist eine wunderbare Aufgabe.“
Superintendent Mirko Peisert ist glücklich, dass mit Axel Kawalla ein „Pastor mit einem weiten Horizont“ nach Hildesheim kommt. „Er bringt vielfältige Erfahrungen aus dem Dialog mit Kunst und Kultur mit. Und er kennt die kirchliche Arbeit in großstädtischen Bezügen gut.“ Das Interesse an der Stelle in der St. Andreas-Gemeinde sei groß gewesen, so dass die Stelle des früheren Pastor Detlef Albrecht fast nahtlos neubesetzt werden konnte. Peisert; „Hildesheim ist für viele Pastorinnen und Pastoren attraktiv, so dass wir derzeit von keinem Pastorenmangel sprechen können.“
Ein erstes Kennenlernen mit der Gemeinde gibt es am Sonntag, 22. August: Im 11-Uhr-Gottesdienst stellt sich Axel Kawalla mit der so genannten Aufstellungspredigt vor – bereits am 1. September soll er seinen Dienst antreten. Ralf Neite