„Wir öffnen geschützte Räume“

Nachricht Hildesheim, 08. November 2021

Die Bugenhagen-Hochschule des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt feiert 100. Geburtstag

Hildesheim. Ein beeindruckendes Beispiel für christliches Engagement: Seit nunmehr 100 Jahren informiert die Bugenhagen-Hochschule Gemeindemitglieder und interessierte Menschen im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt über biblisch-theologische Standpunkte zu Gegenwartsfragen, trägt zum christlichen Bewusstsein bei und thematisiert alltägliche Probleme des gesellschaftlichen Miteinanders. „Trotz aller Widrigkeiten hat die Bugenhagen-Hochschule es geschafft, sich 100 Jahre lang zu erhalten“, so die ehemalige Geschäftsführerin Ulrike Banafsche stolz.

Im Jahr 1921 wurde die Bugenhagen-Hochschule als gemeindeübergreifendes evangelisches Bildungswerk gegründet. Christinnen und Christen sollten befähigt werden, das Evangelium durch öffentliche Vorträge argumentativ zu verteidigen. 1969 wurde ein Ausschuss für evangelische Erwachsenenbildung gegründet, der den Namen „Bugenhagen-Hochschule“ übernahm und sich damit bewusst in die Nachfolge des evangelischen Bildungswerks stellte. 2015 wurde die Hochschule an die evangelische Familien-Bildungsstätte in der Steingrube 19A angeschlossen und die Leitung wurde von Magdalene Martensen übernommen. 

Vorträge, Gesprächsimpulse, aber auch Buchprojekte werden von der Bugenhagen-Hochschule realisiert. So wurden beispielsweise in Kooperation mit dem Heimat- und Geschichtsvereins ein Buch zum 1000. Jubiläum der Michaeliskirche oder das Buch „Glaube sucht Ordnung“ zum Namensgeber Johannes Bugenhagen veröffentlicht. 

Das Programm der Hochschule, welches über einen Zuschuss des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt finanziert wird, versteht sich heute ausschließlich als Themenangebot, das von Gruppen in Kirchengemeinden oder Vereinen und Verbänden abgerufen werden kann. 

Das war jedoch nicht immer so: Bis 2010 bot die Bugenhagen-Hochschule auch öffentliche Vorträge an. Damals zählten namhafte Theologinnen wie Margot Käßmann und Dorothee Sölle zu den Referentinnen. „Da standen die Leute Schlange. Wir mussten mit unserer Veranstaltung ins Kreishaus umziehen“, erinnert sich Karin Köhler. Sie ist seit vielen Jahren Referentin in der Bugenhagen-Hochschule, zudem begleitet sie als Beauftragte für Bildung die Kirchenkreispolitik und ist Teil des Kirchenkreisvorstandes. 

Heute wird das Programm überwiegend von Ortsgruppen wie Seniorenkreisen oder Landfrauenverbänden gebucht. Als Veranstalter kümmern sie sich um den Raum, die Werbung und die Technik. „Wir gehen dahin, wo das Publikum ist“, so Leiterin Magdalene Martensen. Während das Programm in der Stadt stetig wachse, wird auf den Dörfern sonst nach wie vor nur wenig angeboten – zudem seien viele auf dem Land nicht mobil. Dennoch sei es mittlerweile schwieriger, Veranstalter zu finden. 

„An den Themen liegt es nicht“, ist Magdalene Martensen überzeugt. Bei über einhundert Themen ist das Programm breit aufgestellt: Von Theologie und Kirche über Literatur, Lebensfragen wie das Älterwerden oder Vorträgen zum aktuellen Zeitgeschehen wie Flüchtlingspolitik oder die Genderdebatte – etwa 50 bis 70 Veranstaltungen werden pro Jahr angeboten. 

Doch während bei den etwa zwanzig Referenten und Referentinnen ein Generationenwechsel stattgefunden hat, mangele es den Veranstaltern an Nachwuchs. Jüngere Leute würden sich immer weniger in Ortsgruppen engagieren, so Karin Köhler. „Früher traten zum Beispiel viele Frauen ab 45 Jahren in den Frauenkreis ein.“ Mittlerweile seien sie länger berufstätig und hätten kaum noch Zeit. 

„Wenn es den Bedarf an unserem Programm nicht mehr gibt, muss man sich eben verabschieden oder verändern“, so Magdalene Martensen. Sie hoffe aber auf die Bereitschaft des Publikums und der Organisatoren und Organisatorinnen, neue Formen zu finden – denn die Wichtigkeit evangelischer Erwachsenenbildung sei auch heute gegeben. „Früher war man einfach Buddhist, Jude oder Christ und hat das gar nicht hinterfragt“, so Martensen. Mittlerweile müsse man sich mit seinem Glauben auseinandersetzen. 

Zudem würden viele Themen wie persönliche Fluchterfahrungen oder das Älterwerden im Alltag nur selten angesprochen. „Wir öffnen geschützte Räume zur Diskussion und zum Erfahrungsaustausch“, so Karin Köhler. Während viele Predigten in erster Linie ein Monolog seien, gäben die Referenten und Referentinnen der Bugenhagen-Hochschule lediglich Impulse. „Die anschließende Diskussion ist oft wichtiger als der Vortrag selbst“, so Magdalene Martensen, „es gibt ein großes Bedürfnis, miteinander ins Gespräch zu kommen.“

Anlässlich des 100. Jubiläums der Bugenhagen-Hochschule laden Superintendent Mirko Peisert und Magdalene Martensen am Sonntag, 14. November, um 11 Uhr zum Festgottesdienst in die Andreaskirche ein. Eine 3G-Pflicht besteht nicht, es gelten die gängigen Abstandsregeln. 
Kristel Döhring