„Die Ambitionen sind noch da“

Nachricht Hildesheim, 28. August 2021

Kirchenkreiskantor Helge Metzner verlässt Hildesheim / Abschiedsgottesdienst am 5. September

Hildesheim. Musik wirkt nachhaltig beflügelnd – davon ist Kirchehkreiskantor Helge Metzner überzeugt. 16 Jahre lang war er an der Kantorei St. Lamberti tätig. Nun verlässt er Hildesheim zum 1. September, um seinen Dienst im nordrhein-westfälischen Gevelsberg anzutreten. 

„Anfangs gab es noch viel zu tun“, erinnert sich Helge Metzner an sein erstes Jahr als Kantor des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt. Seit 2005 leitete er Orchester und Chöre, übernahm Orgeldienste und mehrere Lehraufträge an Universität, HAWK und der Musikschule. Und obwohl Sarstedt einen eigenen Kantor hat, habe er sich stets für beide Bezirke verantwortlich gefühlt, sagt Metzner. 

Auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen war zunächst großer Bestandteil seiner Arbeit. Vor allem die Musical-Freizeiten mit dem Kirchenkreisjugenddienst bereiteten ihm Freude. Doch mittlerweile mangelt es an Nachwuchs. 2017 fand deshalb die letzte Musicalfreizeit statt. „Seit 2016 ist nicht mehr viel los im Kinder- und Jugendchorbereich“, so Helge Metzner bedauernd. 

Den Grund dafür sieht er in der Nutzung neuer Medien. „Musik braucht lange, um das Belohnungszentrum im Gehirn zu stimulieren“, überlegt Metzner. Digitale Medien versprechen dagegen schnelle Erfolgserlebnisse. Aber: „Musikalische Erfolge sind wesentlich nachhaltiger. Das muss man die jungen Leute nur erfahren lassen.“ 

Nicht nur der fehlende Nachwuchs hat Metzners Tätigkeiten verändert. „Das Arbeitsumfeld in Hildesheim ist nicht mehr das, was ich mal wollte“, erklärt er. Bereits seit Jahren sei die Stelle nur zu 75 Prozent durch den Kirchenkreis finanziert, die anderen 25 Prozent würden von der Gemeinde übernommen. Helge Metzner lobt die erstaunliche Spendenbereitschaft der Gemeindemitglieder. Er fürchtet aber, dass die Finanzierung der Stelle künftig schwieriger wird. 

In einer großen Stadt wie Hildesheim sei der Konkurrenzdruck hoch – zudem habe es die St. Lamberti-Kirche aufgrund ihrer weniger zentralen Lage schwer. „Ich fand es nicht immer leicht, mitzuhalten“, gibt Helge Metzner mit Blick auf die Andreaskirche oder den Dom zu. „Doch die Ambitionen sind noch da.“ Dabei wolle er die anderen Musiker*innen eigentlich weniger als Konkurrent*innen und mehr als gegenseitige Ergänzung sehen. 

Doch Corona habe die Lage weiter verschärft. Ebenso wie viele seiner Kollegen und Kolleginnen entwickelte auch Metzner in dieser Zeit Live-Angebote wie die „Musik zur Krisenzeit“ sowie Weihnachts- und Osterandachten. Aber Gottesdienste dauerhaft online stattfinden zu lassen – das kommt für den Kreiskantor nicht in Frage. „Live ist eben ein nicht zu ersetzendes Erlebnis.“ 

Ihm zufolge ist Corona genau die Zäsur, die es gebraucht habe – für die Kirchenmusik in Hildesheim, aber auch für ihn persönlich. Er begann, Bewerbungen zu schreiben. Denn: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ 

Zunächst verzögerte sich der Bewerbungsprozess, dann ging plötzlich alles ganz schnell. Zum 1. September wird Helge Metzner der neue Kirchenkreiskantor in Gevelsberg, einem Ort mit 31.000 Einwohner*innen. Von Hildesheim in die Kleinstadt? Für Metzner ist das kein Nachteil. „In Hildesheim war ich ein kleiner Musiker in einer großen Stadt. Ich hätte es gern einmal andersherum“, erklärt er. Zudem erinnere ihn Gevelsberg an Goslar, wo er vor seiner Tätigkeit in Hildesheim gearbeitet habe. 

Bei aller Vorfreude auf die neue Stelle blickt Helge Metzner auch auf viele Höhepunkte in Hildesheim zurück. Beispielsweise erinnert er sich an das Weihnachtsoratorium 2019 mit mehr als 600 Besucher*innen, das er gemeinsam mit Jochen Arnold leitete. Auch die Aufführung des War Requiem von Benjamin Britten zum 70. Jahrestag der Zerstörung Hildesheims ist ihm im Gedächtnis geblieben. 

Und nicht zuletzt waren da die zahlreichen Samstage, an denen Helge Metzner in den letzten 16 Jahren die Musik zur Marktzeit organisierte und mitgestaltete. Seit 1982 wird der Neustädter Wochenmarkt musikalisch durch die St. Lamberti-Kirche begleitet. „In guten Zeiten zählen wir ein Stammpublikum von 120 Leuten.“ Derzeit seien es etwa 70 bis 80 Besucher*innen jeden Samstag, die sich auf ein abwechslungsreiches und regelmäßiges Programm verlassen können. 

„Es ist fast nie eine Marktzeit ausgefallen“, erzählt Metzner stolz. Immer sorgte er in letzter Minute für einen Ersatz – oder sprang selbst als Musiker ein. Im nächsten Jahr findet die 2000. Musik zur Marktzeit statt. „Die kann ich jetzt nicht mehr mitgestalten“, stellt Helge Metzner mit Bedauern fest. Bis in den November hinein habe er die Samstage jedoch schon vororganisiert, denn bislang gibt es noch keinen Nachfolger.

„Der Weggang von Kantor Helge Metzner fällt mitten in die Beratungen zur zukünftigen Finanzplanung des Kirchenkreises“, erklärt Superintendent Mirko Peisert dazu. Eine schnelle Wiederbesetzung der Stelle wird deshalb nicht möglich sein. Zunächst muss die längerfristige Finanzierung gesichert und das zukünftige Profil der Stelle bedacht werden.“

Am 5. September um 17 Uhr wird Helge Metzner mit einer Messe von Franz Schubert in der St.-Lamberti-Kirche offiziell verabschiedet. Eine Anmeldung ist erforderlich. Kristel Döhring