Hildesheim. Die Corona-Jahre wirken in vielen Menschen und ihren Beziehungen nach. Die Herausforderungen, den Mangel an Kontakten und die Mehrfachbelastungen in den Familien – all das können sie nicht einfach abschütteln. Hinzu kommen bedrohlich wirkende gesellschaftliche und politische Entwicklungen. All das führt zu einem erhöhten Bedarf an Unterstützung bei der persönlichen Lebensbewältigung, so die Beobachtung der Mitarbeitenden der Lebensberatungsstelle der Diakonie in der Region Hildesheim und Peine. „Die Dringlichkeit ist größer geworden“, sagt Marlies Stockmeier, Leiterin der Beratungsstelle für Einzelne, Paare und Familien, „das ist der Eindruck im gesamten Team.“
Wer seelische Not verspüre, sollte seine oder ihre Probleme nicht für zu klein halten, sondern Hilfe in Anspruch nehmen, meinen die psychologisch geschulten Beraterinnen und Berater. Denn allein schon das Erzählen kann Entlastung bringen. Voraussetzung dafür ist eine vertrauensvolle Beziehung zum Gegenüber. In der Lebensberatungsstelle wird unbedingte Verschwiegenheit zugesichert.
Gemeinsam werden in den Gesprächen Strategien erarbeitet, wie persönliche Ressourcen aktiviert werden können, um wieder ins Gleichgewicht zu finden. Klienten und Klientinnen erhalten unter anderem Unterstützung, sich über eigene Bedürfnisse klarzuwerden und sich bewusst zu machen, was im Leben, in der Familie oder Beziehung noch gut funktioniert. Viele werden dadurch befähigt, ihre Krisen zu bewältigen. In manchen Fällen kann es auch gut sein, eigene Grenzen zu erkennen und sich aus Beziehungen zu lösen, die nicht guttun. Bei Bedarf verweisen die Beraterinnen und Berater auf weitere Hilfsangebote im eigenen Haus oder bei anderen Fachstellen.
Die Menschen hätten die Erschöpfung und Anspannung durch die Folgen der Corona-Pandemie gar nicht verarbeiten können, da seien mit Energiekrise, Inflation und globalen Krisen schon die nächsten Belastungen auf sie zu gekommen, erläutert Marlies Stockmeier. „Wenn jemand lange über seiner Belastungsgrenze lebt, liegen irgendwann die Nerven blank“, sagt sie.
Darunter leiden auch die Beziehungen. „Wir beobachten einen Anstieg bei eskalierendem Streitverhalten bis hin zu Gewalt und bei Suizidgedanken“, berichten Stockmeier und die psychologische Beraterin Barbara Hermanns. Manche Klienten seien selbst über ihre Reaktionen erschrocken. Einzelne oder Paare sollten sich besser frühzeitig an eine Beratungsstelle wenden, ehe sich destruktive Verhaltensweisen verfestigt hätten. Während der Beratungsgespräche wird daran gearbeitet, Eskalationen im Streit künftig zu vermeiden.
Wer Hilfe in Anspruch nehmen möchte, kann sich telefonisch unter 05121/16 75 40 melden und erhält einen Termin für ein etwa halbstündiges Anmeldegespräch. In der Klosterstraße sind acht fachlich ausgebildete Beratungskräfte tätig. Im vergangenen Jahr haben die Mitarbeitenden Beratungen mit 300 Einzelpersonen oder Paaren geführt. Üblich sind Treffen im 14-tägigen Abstand. Eine Beratung umfasst meist fünf bis zehn Termine, je nach Bedarf können es aber auch mehr oder weniger sein.
Mit den Klientinnen und Klienten wird eine Kostenbeteiligung vereinbart. Marlies Stockmeier betont aber: „Keine Beratung scheitert an den Kosten.“
Die Beratungsstelle wird überwiegend vom evangelischen Kirchenkreisverband Hildesheim finanziert und vom Landkreis Hildesheim gefördert. Mehr Informationen gibt es auf diakonie-hildesheim.de. Wiebke Barth