Nachhaltigkeit, Frieden und Vertrauen

Nachricht Hildesheim, 27. September 2023

Zwei Bischöfe aus Südafrika und Brasilien besuchen Hildesheim, um Friedensorte der evangelischen Kirche kennenzulernen

Hildesheim. Nachhaltig und Frieden? Er habe die beiden Aspekte erst einmal nur schwer zusammenbringen können, sagt Gilbert Oswald Filter, Bischof aus Südafrika. Er sitzt im Andreashaus, Marcos Jair Ebeling, Regionalbischof aus Brasilien, an seiner Seite. Ihnen gegenüber haben Michaela Grön und Karoline Wolfram Platz genommen. Die beiden Bischöfe sind für die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes nach Krakau gereist und anschließend von der Landeskirche nach Niedersachsen eingeladen worden. Hier können sie sich die so genannten Friedensorte anschauen. Grön und Wolfram verantworten als Projektleiterin und Assistenz den Friedensort in Hildesheim. „Lernen eine Welt zu sein“, lautet sein Motto, dabei geht es um Nachhaltigkeit, öko-fairen Einkauf und Globales Lernen in evangelischen Einrichtungen und Gemeinden.

Filter und Ebeling haben bei ihrem Besuch in Hildesheim die Martin-Luther-Gemeinde kennengelernt, einen Stadtrundgang gemacht und die Kita Diekholzen besucht. „Uns ging es darum, dass sie unsere Arbeit auch in der Praxis erleben“, erklärt Grön. Die Gemeinde und die Kindertagesstätte in Diekholzen seien dafür Vorbilder.

152 Kinder betreut das Team um Claudia Zündel-Poppenhäger dort in acht Gruppen von der Krippe bis zum Hort. „Wichtig ist mir, dass Nachhaltigkeit kein Projekt ist“, erläutert die Leiterin. „Die Kinder müssen damit groß werden, um es als normal im Alltag zu erleben.“ Es gibt deswegen Hochbeete im Garten, deren Früchte direkt auf Teller kommen, eine Werkstatt, um Dinge vor Ort reparieren zu können, und ein Parlament, durch das die Kinder ihre Vorstellungen einbringen können.

„Sehr beeindruckend“, findet Filter. „Die Kinder sind voll dabei.“ Ebeling hat nämlich eine typische Frucht aus Brasilien mitgebracht. Leon aus der Drachen-Gruppe erkennt die Avocado sofort und Matteo schlussfolgert schnell, dass die an riesigen Bäumen wachsen müssen. „Sehr richtig“, lobt Ebeling, während er die Frucht in zwei Hälften schneidet und den Kindern das Fruchtfleisch und den Kern zeigt. „Da sind viele Vitamine drin und aus dem Kern wächst später ein neuer Baum“, erklärt er. „So hat Gott alles geschaffen.“ Für die Kinder in Diekholzen eine Bekräftigung. Denn regelmäßig sind sie mit ihrer Gruppe auf Obstwiesen und beim Hühnerhof. „Kinder sollen Natur erleben“, bestätigt Zündel-Poppenhäger, „und merken, dass es normal ist, Dinge zu verwerten.“ Der positive Ansatz leuchtet Filter sofort ein: „Wir sind nicht glaubwürdig, wenn wir die Menschen über ein schlechtes Gewissen mit auf den Weg nehmen.“

Zeit zum Reflektieren hatten Filter und Ebeling am Tag nach dem Kita-Besuch. Frieden und Natur, lassen sich die Themen also doch zusammenbringen? „Ich gehe theologisch daran“, überlegt Ebeling. Er denke an Genesis, das Erste Buch Mose, die Schöpfungsgeschichte. „Da herrschte Harmonie“, erklärt er. „Das kann einer zerbrochenen Welt zumindest ein Signal geben, eine Vision. Dieses Signal gibt dieses Projekt.“ 

Das sieht auch Filter so. „Wenn wir Klimaschutz nicht ernst nehmen, wird es Krieg geben und unnötiges Leid.“ In der Küche im Andreashaus, wo er sitzt, läuft eine Aufnahme des Capetown Youth Choir. Sie singen von „Ukuthula“, das heißt „Frieden“ auf Zulu. „Frieden ist mehr als kein Unfrieden“, betont Filter. „Frieden heißt Hoffnung und Vertrauen.“

Ein Gedanke, den auch der Hildesheimer Friedensort vermitteln will. „Ich glaube, wir sind nicht einzelne Inseln auf unserem Planeten“, erklärt Grön. „Lernen eine Welt zu sein bedeutet zu verstehen, welche Auswirkungen unsere Lebensweise hat. Führt sie zu Ausbeutung von Natur und Menschen, auch in anderen Teilen unserer Welt? Was können wir verändern?“ Die Kita Diekholzen und die Martin-Luther-Gemeinde auf dem Weg zur Öko-fairen-Gemeinde seien dafür vorbildhaft. „Sie zeigen: Es geht, es ist nicht schwer, es macht Spaß“. Eine Haltung, die der Bischof aus Südafrika unterstützt, weil Deutschland die Möglichkeit dazu habe. „Ihr habt Wohlstand, eure Wirtschaft und Politik funktionieren.“ Deswegen sei Glaubwürdigkeit entscheidend.

„Es ist eine große Herausforderung, gegen den Strom zu schwimmen und die Menschen trotzdem mitzunehmen“, gibt der Mann aus Brasilien zu bedenken. „Das ist auch ein Risiko.“ Aber die Hildesheimerinnen und Hildesheimer, die er bei seinem Besuch des Friedensortes kennenlernen konnte, zögen Konsequenzen aus diesen Gedanken. Ein Feedback, das Projektassistentin Wolfram gerne annimmt. „Auch die theologischen Impulse unserer Gäste haben uns bestärkt.“

Filter und Ebeling können die Verbindung von Frieden und Nachhaltigkeit am Ende ihres Besuchs in Hildesheim klarer zusammenbringen. Lediglich ein Aspekt treibt dem Südamerikaner noch Falten auf die Stirn. „Rote Grütze?“ Das typische Gericht aus Niedersachsen hat FSJlerin Ronja Hofmann als Nachtisch beim gemeinsamen Abschluss-Essen im Andreashaus vorgesehen. Außerdem bereitet die Gruppe zusammen eine Kürbis-Kartoffel-Suppe zu. „Ich lasse mich überraschen“, meint der Gast aus Brasilien mit einem Lächeln. „Ihr nehmt die Menschen ja mit auf euren Weg.“ Björn Stöckemann

Info: Die Friedensorte der Landeskirche

Acht Orte, die sich in besonderer Weise den Themen Frieden, Aufarbeitung der Vergangenheit, Beleuchtung von Migrationsgeschichten und dem Weg zu einer gerechten Welt verschrieben haben, werden von der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers als sogenannte „Friedensorte“ gefördert. Alle wollen durch Veranstaltungen, Diskussionen, Impulse und Aktionen zu einer friedlichen Welt beitragen und für genannte Themen sensibilisieren.

Im Anschluss an die Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds (LWB) im September besuchten 18 Delegierte aus weltweiten Partnerkirchen die Friedensorte der Landeskirche Hannovers. Ziel des Besuchsprogramms war es, die Eindrücke, Ideen und Empfehlungen der Gäste mit ihren je eigenen und länderspezifischen Perspektiven zu sammeln und zu reflektieren. 

Mehr zum Friedensort Hildesheim: www-evangelische-bildung.de
Mehr zu den Friedensorten der Landeskirche: www.friedensorte.de