Wie eine Reise ins Land der Vorfahren: Pastor aus Indien zu Gast in Hildesheim

Nachricht Hildesheim, 02. Juni 2023

Austauschprogramm „Kirche gibt´s auch anderswo“ ermöglicht Besuch von Pastor Samuel Logan Ratnaraj im Land Martin Luthers

Hildesheim. Für Pastor Samuel Logan Ratnaraj ist Deutschland ein ganz besonderes Land: Das Land des Reformators Martin Luther, der den evangelisch-lutherischen Glauben begründet hat. Deshalb sei es sehr aufregend für ihn, Deutschland jetzt besser kennenzulernen, erklärt der Theologe. Pastor Logan verbringt einige Wochen in Hildesheim im Rahmen des Austauschprogramms „Kirche gibt`s auch anderswo“, das von der Landeskirche Hannovers getragen und vom Ev.-luth.- Missionswerk Niedersachsen organisiert wird. Am Donnerstag, 8. Juni, um 19 Uhr im Andreashaus wird Pastor Ratnaraj interessierten Besuchern und Besucherinnen über die Situation der evangelischen Christen in Indien berichten.

Michaela Grön, Gemeindereferentin der St.-Andreas-Kirchengemeinde und Bildungskoordinatorin im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt, hatte im März vier Wochen in Chennaj im Bundesstaat Tamil Nadu die Arbeit ihres indischen Kollegen kennengelernt – nun ist er zum Gegenbesuch nach Hildesheim gekommen. „Es ist, als würde ich das Land meiner Vorfahren besuchen“, beschreibt Pastor Logan seine Gefühle. Denn nicht nur Luther kam aus Deutschland, sondern auch Bartholomäus Ziegenbalg, der als Missionar in Indien im 18. Jahrhundert die erste evangelisch-lutherische Gemeinde gründete und die Bibel in die tamilische Sprache übersetzte.

Auch auf Hildesheim hat der Besucher eine freundliche Sicht, die manchen Einheimischen überraschen mag: Eine schöne Stadt sei das, so sauber und mit gut funktionierendem Straßenverkehr. Bei einem Gang durch die Innenstadt fielen ihm besonders die Second-Hand-Läden auf – ein gutes Angebot für Menschen mit geringem Einkommen und um Ressourcen zu schonen, findet Pastor Logan.

Beeindruckt zeigt sich der Theologe vom Alter der Kirchengebäude, die er in Hildesheim besichtigen konnte. Zuerst allerdings habe es ihn schockiert, Figurenschmuck an und in evangelischen Kirchen zu sehen. Aus seiner Sicht sei das bisher ausschließlich ein Kennzeichen katholischer Gotteshäuser gewesen. Er verstehe jetzt aber, dass Martin Luther kein Freund des sogenannten „Bildersturms“ gewesen sei, und es doch schade gewesen wäre, die Schönheit bestehender Gebäude zu zerstören.

Seit seiner Ankunft hat der Pastor bereits besonders festliche und gut besuchte Gottesdienste an Himmelfahrt und Pfingsten erlebt und dabei mit Freude den hier üblichen schwarzen Talar getragen – in seiner Heimat sind weiße Gewänder mit farbiger Stola üblich. Er hat aber auch erfahren, dass keineswegs immer so viele Menschen in die Kirche kommen – kein Vergleich mit den vielen Besuchern und Besucherinnen jeden Alters in Gottesdiensten seiner Heimatgemeinde.

Er selbst ist in Chennaj nicht nur Gemeindepfarrer, er arbeitet auch für die Vereinigte Ev.-luth. Kirche in Indien (UELCI). Die bekommt zunehmend den Druck der indischen Regierung zu spüren, wie Pastor Logan berichtet. Zwar könnten die Christen in ihren Gemeinden unbehelligt Gottesdienst feiern, jedoch keine öffentlichen Versammlungen oder Prozessionen abhalten, denn das würde als Versuch ausgelegt, Hindus zum christlichen Glauben zu bekehren.

Dass die UELCI Geld von evangelischen Kirchen aus dem Ausland erhält, errege das Misstrauen der Regierung. Im März seien deshalb die Konten der Vereinigten Kirche eingefroren worden. Für ihn und seine Familie bedeute dies, dass die Gehaltszahlung seither ausblieb, erklärt der Pastor. Über diese Einschränkungen bisher bestehender Freiräume wird er unter anderem am 8. Juni beim Indienabend im Andreashaus unter dem Stichwort „Shrinking Spaces“ berichten. Weitere Informationen zum Indienabend unter andreaskirche.com.  Wiebke Barth