Hildesheim. „Kommen Sie doch bitte - ich gehe nämlich" - mit diesen Worten lädt Axel Kawalla am Sonntag, 25. Juni, zu seinem Abschiedsgottesdienst in die Andreaskirche. Nach nur zwei Jahren kehrt der 55-Jährige der Andreas-Gemeinde wieder den Rücken zu und wird Pastor in der Dreifaltigkeitsgemeinde in Hannover. „Ich habe die Hoffnung, dass dort mutige Aufbrüche und Veränderungen auf Probe zu versuchen, fröhlich mitgetragen werden."
Im September 2021 trat Kawalla die Nachfolge von Detlef Albrecht und Martina Janßen an. Er sei neugierig auf beides gewesen: die Arbeit in einer Citykirche und in einer Gemeindekirche. St. Andreas ist einerseits die Kirche mit Events wie dem Friedenstag und Konzerten, mulitreligiösem Friedensgebet und Ausstellungen, die in ökumenischer Ausrichtung allen Besucher:innen offen steht. Andererseits, so Kawalla, seien da über 4000 Gemeindeglieder, „die zum Teil ganz andere Bedürfnisse haben als Gottesdienste oder Konzerte“.
Eine wichtige Rolle spiele dabei die Oststadt, die ebenfalls zur Gemeinde gehört. Die Verbindung dorthin sei in früheren Zeiten durch das Gemeindezentrum am Krähenberg gegeben gewesen, sagt Kawalla. Zwölf Jahre nach dem Verkauf leide die Gemeinde noch immer an Phantomschmerzen, weil „der Konnex im Ostviertel verloren gegangen ist.“
In Hildesheim hat der zweifache Vater sich gefreut, gute Kontakte innerhalb der Stadt gefunden zu haben, zum Beispiel zu Abrahams Rundem Tisch. Auch die Bezüge zur Zivilgesellschaft habe er als positiv erlebt. So sei mit den Foodsavern ein sogenannter „Fair-Teiler-Kühlschrank“ in einer Nische der Kirche aufgestellt worden: „Der ist immer schnell leer." Zudem fungiere die Gemeinde als Gastgeberin für die Gruppe Fridays for Future. „Es gibt Berührungspunkte, zum Beispiel das Thema Gerechtigkeit."
Was die Gemeindearbeit angeht, ist Kawalla mit einigen Entwicklungen sehr zufrieden. Kirche müsse heute den Menschen entgegenkommen, gerade was ihre Bedürfnissen nach eigener Spiritualität angeht. „Ich bin immer dabei, Anknüpfungspunkte beim Menschen von heute zu finden, Formen zu suchen, die ihre Fragen und Nöte aufnehmen; bin immer am überlegen, was ist deren Sprache, deren Musik." So habe er viel Zuspruch für die Einführung des neuen Gesangsbuchs „Freitöne" und für seine Gebets- und Predigt-Sprache bekommen.
„In manchen Arbeitsbereichen war die Resonanz allerdings nicht so groß“, sagt der Pastor auch. Das liege unter anderem an dem sehr kleinen Team an Ehrenamtlichen. „Ich habe versucht, Menschen niedrigschwellig zur Mitarbeit einzuladen." Der Pastor sieht die Zukunft der Kirche darin, mündigen Menschen von Seiten des Pfarramts und des Kirchenvorstands Vertrauen entgegenzubringen, um Neues auszuprobieren. „Wir tun uns schwer, dass andere es anders machen als wir."
Das Wiederholen von Traditionen sei für einige Menschen wichtig. Auf der anderen Seite müsse gerade eine Kirche mitten in der Stadt es sich leisten, „Dinge radikal auszuprobieren". Kawalla: „Eine strukturelle Offenheit dafür habe ich in der Gemeinde oft vermisst.“ Diese Offenheit mache offensichtlich einigen Menschen Angst. „Ich frage mich, wie wir das Gespräch über den notwendigen Wandel und die Ängste davor noch anders hätten führen können.“
Eine Idee für die Zukunft wäre eine Dinner-Church gewesen, die Kawalla in New York kennengelernt hat. Dort ist das gemeinsame Kochen und Essen in den Ablauf eines Gottesdienst eingebettet. Zu diesem Versuch kommt es in St.Andreas nun nicht mehr. Für einen Austausch ist noch einmal am Sonntag, 25. Juni, Gelegenheit: Der Abschiedsgottesdienst von Axel Kawalla beginnt um 17 Uhr in St. Andreas. kult&kom