Hildesheim. Streuobstwiesen sind aus ökologischer Sicht besonders wertvoll, liefern außerdem leckere Früchte, können als Erholungsflächen dienen und sehen dazu auch noch schön aus: Viele Gründe also, diese Wiesen zu schützen und zu fördern. Zudem bieten die Streuobstwiesen ideale Voraussetzungen für naturnahen Unterricht. All das hat 2004 zur Gründung des Arbeitskreises Hildesheimer Streuobstwiesen geführt.
Die vom Arbeitskreis initiierten Schul-Aktionen und Streuobstwiesentage sind im Landkreis längst als Bereicherung für den Naturschutz und die ökologische Bildung etabliert. Das Netzwerk öko, fair & mehr hat den Arbeitskreis Hildesheimer Streuobstwiesen jetzt mit der Zukunfts-Hilde des Monats Juli 2023 ausgezeichnet. Mit dieser Urkunde bedenkt das Netzwerk solche Einrichtungen, Gruppen und Initiativen in der Region, die sich in besonderer Weise für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und globale Gerechtigkeit einsetzen.
Detlef Ramisch (Greenpeace Hildesheim) und Karoline Wolfram (Projekt „Lernen eine Welt zu sein“ im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt) überreichten die Auszeichnung im Namen des Netzwerks öko, fair & mehr. Bildung sei ein Schlüssel im Sinne einer ökologisch, politisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltigen Entwicklung, sagte Ramisch. Wie schmeckt ein Apfel direkt vom Baum? Wie der daraus gewonnene Saft? Solche Erfahrungen könnten zu einem veränderten Konsumverhalten führen.
Niklas Möller und Klaus Heisig nahmen die Ehrung für den Arbeitskreis entgegen und stellten dessen Arbeit anhand einer Präsentation während des Netzwerktreffens vor.
Zu den Initiatoren des Arbeitskreises Hildesheimer Streuobstwiesen gehörte Richard Bruns, der damals noch Rektor der Grundschule Barienrode war. Er hielt es für eine gute Idee, mit den Schülern und Schülerinnen Obst zu ernten und zu pressen. Durch den damaligen Leiter des Schulbiologiezentrums Friedrich-Wilhelm Krüger konnte die dortige Obstwiese einbezogen werden, um Unterrichtstage unter Apfelbäumen für die Hildesheimer Schulen anzubieten.
Der Arbeitskreis unterstützt Lehrerinnen und Lehrer dabei, den Unterricht auf der Streuobstwiese zu organisieren, der das Ernten und Sammeln von Früchten bis zum Mosten und Vermarkten des Saftes umfasst. So wird schon in jungen Jahren die Liebe zum eigenen Anbau von Obst und zu regionalen Produkten geweckt, die frei von Schadstoffen sind. Die Aktionen bringen die Besitzer von Streuobstwiesen mit den Abnehmern zusammen und fördern so die Bewahrung bestehender und Renaturierung brach liegender Obstwiesen. Dafür veranstaltet der Arbeitskreis auch Arbeitseinsätze. Für alle, die selbst eine Streuobstwiese besitzen oder einfach zu Hause einen schönen Obstbaum pflegen möchten, bietet der Arbeitskreis auch Kurse für den Obstbaumschnitt. All das leisten die Mitglieder ehrenamtlich.
Jeweils am 3. Oktober finden schon seit 2012 die Streuobstwiesentage statt, zu denen alle Einwohner und Einwohnerinnen des Landkreises eingeladen sind. So lernen die Menschen die Streuobstwiesen in ihrer Umgebung kennen und erfahren mehr über deren Bedeutung. An den unterschiedlichen Standorten können Besuchende alte Sorten probieren, etwas über die Kunst des Veredelns lernen oder auch den Apfel aus dem eigenen Garten bestimmen lassen.
Die Zahl der beteiligten Streuobstwiesen an diesen Aktionstagen ist von acht im Jahr 2012 auf 24 im Jahr 2019 gestiegen. Anfang Juni dieses Jahres hat sich beispielsweise der Ortsrat Moritzberg dafür ausgesprochen, die Grünfläche am Hildesheimer Godehardikamp teilweise in eine Streuobstwiese umzuwandeln. Das diene dem Klimaschutz und biete Möglichkeiten für Projekte von Kitas und Schulen.
Das Obst – meist sind es Äpfel – von Streuobstwiesen wird ohne den Einsatz von Chemie erzeugt. Da es auf natürliche Weise am Baum reift und nur kurze Wege zu Verbrauchern und Verbraucherinnen zurücklegt, ist es ausgesprochen lecker. Zudem wachsen auf Streuobstwiesen oft heimische Sorten, die besonders an Klima und Boden der Region angepasst und anderswo nicht zu finden sind – so wie die Hildesheimer Saftrenette. Diese alten Sorten zu erhalten gehört zu den Zielen des Arbeitskreises Hildesheimer Streuobstwiesen. „Wem Balkonien für die Erholung zu klein und der Apfel beim Einkaufen zu weit vom Stamm entfernt ist, ist herzlich im Arbeitskreis willkommen“, lädt Niklas Möller zum Mitmachen ein.
Das Zusammenspiel von Grünland und Bäumen macht Streuobstwiesen für viele Tiere zu einem wertvollen Biotop. Hier gibt es Blütenreichtum, eine Krautschicht am Boden und Totholz. Die Vielfalt an Insekten, Nistmöglichkeiten und Höhlen wiederum zieht Vögel und Fledermäuse an. Laut Einschätzung des Naturschutzbundes sind Streuobstbestände prägender Bestandteil der mitteleuropäischen Kulturlandschaften und spielen für die Biodiversität eine herausragende Rolle.
Das Netzwerk öko, fair & mehr ist Ende des Jahres 2018 entstanden. Das Bündnis von Gruppen, Initiativen, Unternehmen, Kirchen, Religionsgemeinschaften und Institutionen will Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Region Hildesheim mit gebündelten Kräften voranbringen. Wiebke Barth