Hildesheim. Mehr Platz für Menschen zu Fuß oder auf dem Fahrrad, mehr Platz für Grün, für Bänke und schöne Aufenthaltsflächen – das bedeutet gleichzeitig weniger Platz für motorisierten Verkehr und Parkplätze. Wer also der klima-, umwelt- und gesundheitsfreundlichen Mobilität mehr Vorrang einräumen will, tut gut daran, sich mit anderen zusammenzuschließen, um das voran zu bringen. Seit 2017 gibt es in Hildesheim den Arbeitskreis Mobilität, dem viele Akteure und Akteurinnen mit übereinstimmenden Zielen angehören: Allgemeiner Deutscher Fahrradclub (ADFC), AStA der HAWK und der Universität, BUND, Hildesheim will Rad fahren, Verkehrsclub Deutschland (VCD), Greenpeace, Hilde Lastenrad und Stadtlabor. Für seinen Einsatz hat der Arbeitskreis Mobilität jetzt die Auszeichnung Zukunfts-Hilde des Monats März erhalten.
Die Urkunde mit der Zukunfts-Hilde vergibt das Netzwerk öko, fair & mehr monatlich an eine Initiative oder Gruppe in der Region Hildesheim, die sich besonders für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit einsetzt. Gerade jetzt, da das Frühjahr bevorsteht und Fahrradfahren wieder einen Beliebtheits-Schub erhält, sei die richtige Zeit, diese Auszeichnung an den AK Mobilität zu überreichen, erklärte Michaela Grön bei der Übergabe. Sie ist Koordinatorin des Projektes Lernen eine Welt zu sein im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt und gehört der Steuerungsgruppe des Netzwerks öko, fair & mehr an.
Anstoß für die Gründung des AK Mobilität war unter anderem die hohe Stickoxid-Belastung in der Hildesheimer Innenstadt, die in der Schuhstraße jahrelang die Grenzwerte überschritten hatte. Stadtbaurätin Andrea Döring betonte daher auch in ihrer Laudatio für den Arbeitskreis, neben dem Klimaschutz sei auch der Gesundheitsschutz ein wichtiger Aspekt der Verkehrswende. Wer zu Fuß zur Arbeit gehe oder das Fahrrad benutze, habe außerdem einen Gewinn an Lebensfreude: Den Wechsel von Wetter und Jahreszeiten erlebten Menschen nicht, wenn sie sich direkt von der Tiefgarage ins Büro begäben. Als Arzt stimmte Klaus-Dieter Bode (Hildesheim will Rad fahren) dem Gesundheitsaspekt zu: Es sei eine einfache Maßnahme gegen den Bewegungsmangel schon bei Kindern, die alltäglichen Wege zu Fuß zurückzulegen.
Letztlich hätten Stadtverwaltung und AK Mobilität ähnliche Ziele für die Neuregelung des Verkehrs in der Stadt, sagte Döring: bessere Luft, weniger Lärm, mehr Sicherheit, mehr Lebensqualität durch mehr Lebensräume Dennoch gebe es manchmal Spannungen, da eine Verwaltung sich nun einmal an Verordnungen und Rechtsnormen halten müsse und Freiräume dabei in der Vergangenheit nicht immer ausreichend genutzt worden seien. Sie zollte den Akteuren des Arbeitskreises Respekt, „weil Sie Ideen einbringen und den Diskurs nicht scheuen“ – Widerstand gebe es eben auch bei Bürgerinnen und Bürgern oder aus der Politik immer wieder in einer Stadt, die bisher doch sehr vom Autoverkehr geprägt sei.
„Man kann Bürgern das nicht überstülpen, man muss sie mitnehmen“, bestätigte Yannik Kolmer (Greenpeace): „Auch wer das Auto nutzt, geht schließlich irgendwann zu Fuß.“ Ziel müsse eine gerechtere Nutzung der Flächen sein, damit beispielsweise Eltern mit ihren Kindern ohne Angst durch die Stadt radeln könnten.
Auf die Interessen von Fußgängern und Fußgängerinnen oder Radfahrenden macht der AK Mobilität auch mal mit Humor aufmerksam: So 2018 an der Baustelle in der Zingel, wo die Menschen auf Höhe des Theaters über eine Wiese geleitet wurden, die sich schnell in eine Matschpiste verwandelte. Mitglieder von VCD und ADFC halfen mit Gummistiefeln aus und schleppten Fahrräder durch den Matsch. Auch der Pop-Up-Radweg an der Marienburger Straße 2020 ging auf eine Anregung des Arbeitskreises zurück. Die Politik greife ja teilweise schon Ideen der AK-Mitglieder auf, sagte Norbert Frischen (VCD). Doch diese wünschten sich, dass bestehende Konzepte endlich auch umgesetzt würden.
Der AK Mobilität setzt sich dafür, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt und den Quartieren herauszuhalten und auf Hauptverkehrsadern um die Kerne der Viertel herum zu leiten. Insgesamt soll der Anteil des Verkehrs bis 2030 auf 30 Prozent mit dem Rad, beziehungsweise 25 Prozent zu Fuß steigen, unter anderem durch die zügige Umsetzung des Radverkehrskonzeptes und durch eine Verbesserung des ÖPNV-Angebotes. So soll es auch möglich werden, Parkraum am Straßenrand erheblich zu reduzieren und diesen Platz für anderes wie Begegnung und Erholung zu nutzen.
Ideen dafür sollen in diesem Jahr beispielsweise durch die beiden Netzwerk-Projekte „Urban Places Reloaded“ und „Wanderbaumallee“ sichtbar werden. So könnten Bäume in mobilen Behältern Stadtteilplätzen für einige Wochen ein verändertes Erscheinungsbild verleihen, beispielsweise im Mai in der Innenstadt aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Fair-Trade-Organisation El Puente.