Hildesheim. „Schwerter zu Pflugscharen“ – das der Bibel entnommene Motto der Friedensbewegung wird mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine in Frage gestellt. In der evangelischen Kirche wie überall ist eine Diskussion entbrannt um die richtige ethische Haltung zu Waffenlieferungen in die Ukraine. Neben Verständnis für das Handeln der Bundesregierung, der Anerkennung des Rechts auf Verteidigung und der Hilfe für den Nachbarn stehen Warnungen vor einer Eskalation und Kritik an Kriegsrhetorik und einem Wettlauf der militärischen Unterstützung.
Als Michaela Grön und das Vorbereitungsteam der Reihe „Lust auf Zukunft – Wandel gestalten“ des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt den Abend zum Thema „Ein bisschen Frieden? – Impulse aus der evangelischen Friedensethik“ in das Programm aufnahmen, ahnten sie noch nicht, wie aktuell diese Frage werden würde.
Dass es auch vor dem Februar dauernd Kriege gab – nur scheinbar weit entfernt - daran erinnerte Prof. Dr. Maren Bienert vom Institut für Evangelische Theologie der Stiftung Universität Hildesheim in ihrem Impulsvortrag. Und auch Streit darüber in der Kirche habe es stets gegeben: „Man war sich noch nie einig.“ Lange Tradition hat dabei unter anderem die Lehre des „gerechten Krieges“, der auf Eingrenzung zielt und unter anderem nach dem Grund, den Erfolgsaussichten und der Verhältnismäßigkeit fragt. Seit gut zwanzig Jahren ist aber immer mehr vom „gerechten Frieden“ als Leitbild die Rede.
Eine christliche Ethik, so Bienert, müsse sich an der Wirklichkeit messen lassen, und die sei komplex: „Evangelische Ethik hat sich immer am Hier und Jetzt zu orientieren.“ Es gehe dabei nicht allein um Visionen für Gegenwart und Zukunft. „Wirklichkeitsgemäßheit“ habe Dietrich Bonhoeffer von der Ethik verlangt. Das bedeute: „Der Wunsch nach Frieden dürfte doch hierzulande Konsens sein. Wer von Frieden spricht, soll auch sagen, wie dieser zu erreichen ist, und was den Frieden dann konkret ausmacht, “ erklärte Prof. Dr. Bienert: Und wer allein auf eine Einigung am Verhandlungstisch setze und dabei Waffenlieferungen ausschließe, müsse auch sagen, um welchen Preis.
In dieser ambivalenten Situation sei es Sünde, Waffen zu liefern, aber ebenfalls Sünde, Hilfe zu verweigern, hat der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche Deutschlands, Friedrich Kramer, im April gesagt. „In den Grauzonen und Komplexitäten der Welt gibt es nicht die eine saubere Lösung“, erklärte Bienert. Vielmehr gehöre zu verantwortlichem Handeln nach den Worten Bonhoeffers das „Angewiesensein auf Gnade“. Bei Fragen nach Schuld, Gerechtigkeit und Vergebung sei die Kirche besonders gefragt.
Der Vortrag von Prof. Dr. Bienert im Andreashaus wurde moderiert von Pastorin Uta Giesel und gestaltet mit Klaviermusik von Maren Kallenberg. Eingeschoben war auch eine Diskussionsphase in Kleingruppen, die einen großen Bedarf nach Austausch zu dem Thema offenbarte. Wiebke Barth