Souveränität weckt Begeisterung fürs Selbermachen

Nachricht Hildesheim, 02. Februar 2022

Zukunfts-Hilde im Februar für die Freie Werkstatt: Platz und Maschinen nachhaltig teilen und zugleich Jugendlichen Berufsorientierung bieten

Die Gäste bei der Übergabe der Zukunfts-Hilde des Monats Februar sind beeindruckt von der gut ausgestatteten, großzügigen Werkstatt, die Benjamin Seimer (links) ihnen zeigt. Von links: Sinah Menz, Kurt Weidt, Michaela Grön und Karen Neubauer. Foto: Wiebke Barth

Hildesheim. Wer mit anderen teilt, spart Ressourcen und Kosten: Das gilt für Autos und Fahrräder, für Büroräume und Maschinen, und das gilt auch für Werkstatträume mitsamt Einrichtung. Die Freie Werkstatt der Cluster Projekte GmbH setzt diesen Gedanken der Nachhaltigkeit um und bietet dabei gleichzeitig praktische Berufsorientierung für Jugendliche – eine Kombination, die jetzt mit der Zukunfts-Hilde für den Monat Februar des Netzwerks öko, fair & mehr Region Hildesheim ausgezeichnet wurde.

In der Steuerwalder Straße gibt es seit 2020 voll ausgestattete Werkstätten für Holz- und Metallarbeiten. Wer ein gute Idee hat, etwas eigenhändig herstellen will, verfügt nicht immer über den notwendigen Platz und die Maschinen und Geräte für die Umsetzung: In der Freien Werkstatt steht beides zur Verfügung. Voraussetzungen, die die Augen von leidenschaftlichen Handwerkern und Handwerkerinnen leuchten lassen – und die Nutzung kostet nicht einmal Geld. Bedingung ist lediglich, einen jugendlichen Praktikanten oder eine Praktikantin am Projekt zu beteiligen.

Damit das funktioniert, sorgen Projektleiterin Sinah Menz und die pädagogische Leiterin Karen Neubauer dafür, Projekte und Jugendliche jeweils zusammenzubringen und begleiten die entstandenen Tandems. Werkstattleiter Benjamin Seimer schaut darauf, dass alle die Sicherheitsbestimmungen kennen, und weist in den Umgang mit den Maschinen ein. Weil das keineswegs ein Kinderspiel ist, sollten Nutzer und Nutzerinnen möglichst gelernte Handwerker sein oder zumindest sehr gute Vorkenntnisse mitbringen: „Man muss schon wissen, was man tut“, sagt Seimer. Wer hier werkelt, soll schließlich nicht nur selbst sicher arbeiten, sondern bei jungen Menschen auch den Spaß am praktischen Schaffen wecken: „Begeisterung kann man nur durch Souveränität vermitteln“, meint Zimmerer Seimer.

Dafür stehen dann in der Holzwerkstatt unter anderem eine Formatkreissäge, eine CNC Holzfräse und ein Laserschneider zur Verfügung. Die hochwertige Ausstattung der Freien Werkstatt und das Personal werden durch Förderungen finanziert: Durch das Programm „Soziale Innovation“ des Europäischen Sozialfonds sowie eine ganze Reihe regionaler und überregionaler Stiftungen und Sponsoren. Das Projekt ist erst einmal für die Dauer von zweieinhalb Jahren ausgelegt, aber die Beteiligten hoffen sehr auf eine Fortführung.

Dabei war der Start holperig: Wegen der Corona-Pandemie wurden Schulpraktika gestrichen, mögliche Nutzerinnen und Nutzer verzichteten auf ihre Vorhaben. Doch im Jahr 2021 konnte die Freie Werkstatt endlich Fahrt aufnehmen. Wichtige Kooperationspartnerin dabei ist die Geschwister-Scholl-Schule, und das nicht nur für die üblichen Praktikumswochen. Interessieren sich Schüler oder Schülerinnen für bestimmte Projekte, können sie auch sonst für die praktische Arbeit ein paar Tage vom Unterricht freigestellt werden, erläutert Sinah Menz. Denn der erlebte Einblick in handwerkliche Berufe sei überaus wichtig für die Berufsfindung und Motivation der jungen Menschen, aber zu selten möglich. Weitere Kooperationspartner sind willkommen: „Hildesheim bietet eine gute Landschaft zum Vernetzen“, ist Karen Neubauer überzeugt.

Einer, der die Freie Werkstatt derzeit nutzt, ist Claudio Giesen. Er ist selbstständiger Tischler ohne eigene Werkstatt und arbeitet auf Bestellung oder für den eigenen Bedarf. Was ihm besonders gefällt, ist das Nebeneinander von Holz- und Metallwerkstatt, was die Herstellung kombinierter Produkte ermöglicht. Auch Studierende der HAWK setzen in der Freien Werkstatt ihre Ideen um. Künftig, sagt Karen Neubauer, sollen die geplanten Projekte auch auf der Homepage der Freien Werkstatt öffentlich gemacht werden, damit mehr Jugendliche davon erfahren und sich für die Mitarbeit melden können.

Das Prinzip beeindruckt Michaela Grön, die das Nachhaltigkeitsprojekt „Lernen eine Welt zu sein“ im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt leitet und auch für das Netzwerk öko, fair & mehr als Koordinatorin tätig ist. Der rein theoretische Schulunterricht könne auf manche Schülerinnen und Schüler frustrierend und demotivierend wirken. Wer dagegen nach einigen Stunden körperlicher Arbeit ein selbst hergestelltes Werkstück mit nach Hause bringe, empfinde Zufriedenheit und Stolz. Die Freie Werkstatt trage somit zu hochwertiger Bildung bei und helfe beim Aufbau einer widerstandsfähigen Infrastruktur.

Kurt Weidt vom StadtLABOR Hildesheim e.V. hatte die Freie Werkstatt für die Auszeichnung mit der Zukunfts-Hilde vorgeschlagen: „Ich sehe ein unglaubliches Erweiterungspotenzial für das Grundkonzept“, sagte er bei der Übergabe der Urkunde. Schon oft habe er erlebt, dass es gute Ideen und begabte Menschen für die Umsetzung gab, aber die Mittel fehlten: „Ressourcen teilen – von der Möglichkeit müssen viele erfahren“, erklärte Weidt.

Mehr Informationen gibt es auf freiewerkstatt-hildesheim.de.